Vorwort an Richard Wagner
German (1872) vs English (1910)
Um mir alle die möglichen Bedenklichkeiten, Aufregungen und Missverständnisse ferne zu halten, zu denen die in dieser Schrift vereinigten Gedanken bei dem eigenthümlichen Character unserer aesthetischen Oeffentlichkeit Anlass geben werden, und um auch die Einleitungsworte zu derselben mit der gleichen beschaulichen Wonne schreiben zu können, deren Zeichen sie selbst, als das Petrefact guter und erhebender Stunden, auf jedem Blatte trägt, vergegenwärtige ich mir den Augenblick, in dem Sie, mein hochverehrter Freund, diese Schrift empfangen werden: wie Sie, vielleicht nach einer abendlichen Wanderung im Winterschnee, den entfesselten Prometheus auf dem Titelblatte betrachten, meinen Namen lesen und sofort überzeugt sind, dass, mag in dieser Schrift stehen, was da wolle, der Verfasser etwas Ernstes und Eindringliches zu sagen hat, ebenfalls dass er, bei allem, was er sich erdachte, mit Ihnen wie mit einem Gegenwärtigen verkehrte und nur etwas dieser Gegenwart Entsprechendes niederschreiben durfte. Sie werden dabei sich erinnern, dass ich zu gleicher Zeit, als Ihre herrliche Festschrift über Beethoven entstand, das heisst in den Schrecken und Erhabenheiten des eben ausgebrochnen Krieges mich zu diesen Gedanken sammelte. Doch würden diejenigen irren, welche etwa bei dieser Sammlung an den Gegensatz von patriotischer Erregung und aesthetischer Schwelgerei, von tapferem Ernst und heiterem Spiel denken sollten: denen möchte vielmehr, bei einem wirklichen Lesen dieser Schrift, zu ihrem Erstaunen deutlich werden, mit welchem ernsthaft deutschen Problem wir zu thun haben, das von uns recht eigentlich in die Mitte deutscher Hoffnungen, als Wirbel und Wendepunkt hingestellt wird. Vielleicht aber wird es für eben dieselben überhaupt anstössig sein, ein aesthetisches Problem so ernst genommen zu sehn, falls sie nämlich in der Kunst nicht mehr als ein lustiges Nebenbei, als ein auch wohl zu missendes Schellengeklingel zum "Ernst des Daseins" zu erkennen im Stande sind: als ob Niemand wüsste, was es bei dieser Gegenüberstellung mit einem solchen "Ernste des Daseins" auf sich habe. Diesen Ernsthaften diene zur Belehrung, dass ich von der Kunst als der höchsten Aufgabe und der eigentlich metaphysischen Thätigkeit dieses Lebens im Sinne des Mannes überzeugt bin, dem ich hier, als meinem erhabenen Vorkämpfer auf dieser Bahn, diese Schrift gewidmet haben will.
Basel, Ende des Jahres 1871.
In order to keep at a distance all the possible scruples, excitements, and misunderstandings to which the thoughts gathered in this essay will give occasion, considering the peculiar character of our æsthetic publicity, and to be able also to write the introductory remarks with the same contemplative delight, the impress of which, as the petrifaction of good and elevating hours, it bears on every page, I form a conception of the moment when you, my highly honoured friend, will receive this essay; how you, say after an evening walk in the winter snow, will behold the unbound Prometheus on the title-page, read my name, and be forthwith convinced that, whatever this essay may contain, the author has something earnest and impressive to say, and, moreover, that in all his meditations he communed with you as with one present and could thus write only what befitted your presence. You will thus remember that it was at the same time as your magnificent dissertation on Beethoven originated, viz., amidst[Pg 20] the horrors and sublimities of the war which had just then broken out, that I collected myself for these thoughts. But those persons would err, to whom this collection suggests no more perhaps than the antithesis of patriotic excitement and æsthetic revelry, of gallant earnestness and sportive delight. Upon a real perusal of this essay, such readers will, rather to their surprise, discover how earnest is the German problem we have to deal with, which we properly place, as a vortex and turning-point, in the very midst of German hopes. Perhaps, however, this same class of readers will be shocked at seeing an æsthetic problem taken so seriously, especially if they can recognise in art no more than a merry diversion, a readily dispensable court-jester to the "earnestness of existence": as if no one were aware of the real meaning of this confrontation with the "earnestness of existence." These earnest ones may be informed that I am convinced that art is the highest task and the properly metaphysical activity of this life, as it is understood by the man, to whom, as my sublime protagonist on this path, I would now dedicate this essay.
BASEL, end of the year 1871.