Das religiöse Leben

German (1878) vs English (1908)

108.

Der doppelte Kampf gegen das Uebel. -Wenn uns ein Uebel trifft, so kann man entweder so über dasselbe hinwegkommen, dass man seine Ursache hebt, oder so, dass man die Wirkung, welche es auf unsere Empfindung macht, verändert: also durch ein Umdeuten des Uebels in ein Gut, dessen Nutzen vielleicht erst später ersichtlich sein wird. Religion und Kunst (auch die metaphysische Philosophie) bemühen sich, auf die Aenderung der Empfindung zu wirken, theils durch Aenderung unseres Urtheils über die Erlebnisse (zum Beispiel mit Hülfe des Satzes: "wen Gott lieb hat, den züchtigt er"), theils durch Erweckung einer Lust am Schmerz, an der Emotion überhaupt (woher die Kunst des Tragischen ihren Ausgangspunct nimmt). Je mehr Einer dazu neigt, umzudeuten und zurechtzulegen, um so weniger wird er die Ursachen des Uebels in's Auge fassen und beseitigen; die augenblickliche Milderung und Narkotisirung, wie sie zum Beispiel bei Zahnschmerz gebräuchlich ist, genügt ihm auch in ernsteren Leiden. Je mehr die Herrschaft der Religionen und aller Kunst der Narkose abnimmt, um so strenger fassen die Menschen die wirkliche Beseitigung der Uebel in's Auge, was freilich schlimm für die Tragödiendichter ausfällt - denn zur Tragödie findet sich immer weniger Stoff, weil das Reich des unerbittlichen, unbezwinglichen Schicksals immer enger wird -, noch schlimmer aber für die Priester: denn diese lebten bisher von der Narkotisirung menschlicher Uebel.

The Double Contest Against Evil.—If an evil afflicts us we can either so deal with it as to remove its cause or else so deal with it that its effect upon our feeling is changed: hence look upon the evil as a benefit of which the uses will perhaps first become evident in some subsequent period. Religion and art (and also the metaphysical philosophy) strive to effect an alteration of the feeling, partly by an alteration of our judgment respecting the experience (for example, with the aid of the dictum "whom God loves, he chastizes") partly by the awakening of a joy in pain, in emotion especially (whence the art of tragedy had its origin). The more one is disposed to interpret away and justify, the less likely he is to look directly at the causes of evil and eliminate them. An instant alleviation and narcotizing of pain, as is usual in the case of tooth ache, is sufficient for him even in the severest suffering. The more the domination of religions and of all narcotic arts declines, the more searchingly do men look to the elimination[137] of evil itself, which is a rather bad thing for the tragic poets—for there is ever less and less material for tragedy, since the domain of unsparing, immutable destiny grows constantly more circumscribed—and a still worse thing for the priests, for these last have lived heretofore upon the narcoticizing of human ill.

109.

Gram ist Erkenntniss. - Wie gern möchte man die falschen Behauptungen der Priester, es gebe einen Gott, der das Gute von uns verlangte, Wächter und Zeuge jeder Handlung, jedes Augenblickes, jedes Gedankens sei, der uns liebe, in allem Unglück unser Bestes wolle, - wie gern möchte man diese mit Wahrheiten vertauschen, welche ebenso heilsam, beruhigend und wohlthuend wären, wie jene Irrthümer! Doch solche Wahrheiten giebt es nicht; die Philosophie kann ihnen höchstens wiederum metaphysische Scheinbarkeiten (im Grunde ebenfalls Unwahrheiten) entgegensetzen. Nun ist aber die Tragödie die, dass man jene Dogmen der Religion und Metaphysik nicht glauben kann, wenn man die strenge Methode der Wahrheit im Herzen und Kopfe hat, andererseits durch die Entwickelung der Menschheit so zart, reizbar, leidend geworden ist, um Heil- und Trostmittel der höchsten Art nöthig zu haben; woraus also die Gefahr entsteht, dass der Mensch sich an der erkannten Wahrheit verblute. Diess drückt Byron in unsterblichen Versen aus:

Sorrow is knowledge: they who know the most must mourn the deepst o'er the fatal truth, the tree of knowledge is not that of life.

Gegen solche Sorgen hilft kein Mittel besser, als den feierlichen
Leichtsinn Horazens, wenigstens für die schlimmsten Stunden und
Sonnenfinsternisse der Seele, heraufzubeschwören und mit ihm zu sich
selber zu sagen:

quid aeternis minorem consiliis animum fatigas? cur non sub alta vel platano vel hac pinu jacentes -

Sicherlich aber ist Leichtsinn oder Schwermuth jeden Grades besser, als eine romantische Rückkehr und Fahnenflucht, eine Annäherung an das Christenthum in irgend einer Form: denn mit ihm kann man sich, nach dem gegenwärtigen Stande der Erkenntniss, schlechterdings nicht mehr einlassen, ohne sein in intellectuales Gewissen heillos zu beschmutzen und vor sich und Anderen preiszugeben. Jene Schmerzen mögen peinlich genug sein: aber man kann ohne Schmerzen nicht zu einem Führer und Erzieher der Menschheit werden; und wehe Dem, welcher diess versuchen möchte und jenes reine Gewissen nicht mehr hätte!

Sorrow is Knowledge.—How willingly would not one exchange the false assertions of the homines religiosi that there is a god who commands us to be good, who is the sentinel and witness of every act, every moment, every thought, who loves us, who plans our welfare in every misfortune—how willingly would not one exchange these for truths as healing, beneficial and grateful as those delusions! But there are no such truths. Philosophy can at most set up in opposition to them other metaphysical plausibilities (fundamental untruths as well). The tragedy of it all is that, although one cannot believe these dogmas of religion and metaphysics if one adopts in heart and head the potent methods of truth, one has yet become, through human evolution, so tender, susceptible, sensitive, as to stand in need of the most effective means of rest and consolation. From this[138] state of things arises the danger that, through the perception of truth or, more accurately, seeing through delusion, one may bleed to death. Byron has put this into deathless verse:

"Sorrow is knowledge: they who know the most
Must mourn the deepest o'er the fatal truth,
The tree of knowledge is not that of life."

Against such cares there is no better protective than the light fancy of Horace, (at any rate during the darkest hours and sun eclipses of the soul) expressed in the words

"quid aeternis minorem
consiliis animum fatigas?
cur non sub alta vel platano vel hac
pinu jacentes."22

22

Then wherefore should you, who are mortal, outwear
Your soul with a profitless burden of care
Say, why should we not, flung at ease neath this pine,
Or a plane-tree's broad umbrage, quaff gaily our wine?
(Translation of Sir Theodore Martin.)

At any rate, light fancy or heavy heartedness of any degree must be better than a romantic retrogression and desertion of one's flag, an approach to Christianity in any form: for with it, in the present state of knowledge, one can have nothing to do without hopelessly defiling one's intellectual integrity and surrendering it unconditionally. These woes may be painful enough, but without pain one cannot become a leader and guide of humanity: and woe to him who would be such and lacks this pure integrity of the intellect!

[139]

110.

Die Wahrheit in der Religion. - In der Periode der Aufklärung war man der Bedeutung der Religion nicht gerecht geworden, daran ist nicht zu zweifeln: aber ebenso steht fest, dass man, in dem darauffolgenden Widerspiel der Aufklärung, wiederum um ein gutes Stück über die Gerechtigkeit hinausgieng, indem man die Religionen mit Liebe, selbst mit Verliebtheit behandelte und ihnen zum Beispiel ein tieferes, ja das allertiefste Verständniss der Welt zuerkannte; welches die Wissenschaft des dogmatischen Gewandes zu entkleiden habe, um dann in unmythischer Form die "Wahrheit" zu besitzen. Religionen sollen also - diess war die Behauptung aller Gegner der Aufklärung - sensu allegorico, mit Rücksicht auf das Verstehen der Menge, jene uralte Weisheit aussprechen, welche die Weisheit an sich sei, insofern alle wahre Wissenschaft der neueren Zeit immer zu ihr hin, anstatt von ihr weg, geführt habe: so dass zwischen den ältesten Weisen der Menschheit und allen späteren Harmonie, ja Gleichheit der Einsichten walte und ein Fortschritt der Erkenntnisse - falls man von einem solchen reden wolle - sich nicht auf das Wesen, sondern die Mittheilung desselben beziehe. Diese ganze Auffassung von Religion und Wissenschaft ist durch und durch irrthümlich; und Niemand würde jetzt noch zu ihr sich zu bekennen wagen, wenn nicht Schopenhauer's Beredtsamkeit sie in Schutz genommen hätte: diese laut tönende und doch erst nach einem Menschenalter ihre Hörer erreichende Beredtsamkeit. So gewiss man aus Schopenhauer's religiös-moralischer Menschen- und Weltdeutung sehr viel für das Verständniss des Christenthums und anderer Religionen gewinnen kann, so gewiss ist es auch, dass er über den Werth der Religion für die Erkenntniss sich geirrt hat. Er selbst war darin ein nur zu folgsamer Schüler der wissenschaftlichen Lehrer seiner Zeit, welche allesammt der Romantik huldigten und dem Geiste der Aufklärung abgeschworen hatten; in unsere jetzige Zeit hineingeboren, würde er unmöglich vom sensus allegoricus der Religion haben reden können; er würde vielmehr der Wahrheit die Ehre gegeben haben, wie er es pflegte, mit den Worten: noch nie hat eine Religion, weder mittelbar, noch unmittelbar, weder als Dogma, noch als Gleichniss, eine Wahrheit enthalten. Denn aus der Angst und dem Bedürfniss ist eine jede geboren, auf Irrgängen der Vernunft hat sie sich in's Dasein geschlichen; sie hat vielleicht einmal, im Zustande der Gefährdung durch die Wissenschaft, irgend eine philosophische Lehre in ihr System hineingelogen, damit man sie später darin vorfinde: aber diess ist ein Theologenkunststück, aus der Zeit, in welcher eine Religion schon an sich selber zweifelt. Diese Kunststücke der Theologie, welche freilich im Christenthum, als der Religion eines gelehrten, mit Philosophie durchtränkten Zeitalters, sehr früh schon geübt wurden, haben auf jenen Aberglauben vom sensus allegoricus hingeleitet, noch mehr aber die Gewohnheit der Philosophen (namentlich er Halbwesen, der dichterischen Philosophen und der philosophirenden Künstler), alle die Empfindungen, welche sie in sich vorfanden, als Grundwesen des Menschen überhaupt zu behandeln und somit auch ihren eigenen religiösen Empfindungen einen bedeutenden Einfluss auf den Gedankenbau ihrer Systeme zu gestatten. Weil die Philosophen vielfach unter dem Herkommen religiöser Gewohnheiten, oder mindestens unter der altvererbten Macht jenes "metaphysischen Bedürfnisses" philosophirten, so gelangten sie zu Lehrmeinungen, welche in der That den jüdischen oder christlichen oder indischen Religionsmeinungen sehr ähnlich sahen, - ähnlich nämlich, wie Kinder den Müttern zu sehen pflegen, nur dass in diesem Falle die Väter sich nicht über jene Mutterschaft klar waren, wie diess wohl vorkommt, - sondern in der Unschuld ihrer Verwunderung von einer Familien-Aehnlichkeit aller Religion und Wissenschaft fabelten. In der That besteht zwischen der Religion und der wirklichen Wissenschaft nicht Verwandtschaft, noch Freundschaft, noch selbst Feindschaft: sie leben auf verschiedenen Sternen. Jede Philosophie, welche einen religiösen Kometenschweif in die Dunkelheit ihrer letzten Aussichten hinaus erglänzen lässt, macht Alles an sich verdächtig, was sie als Wissenschaft vorträgt: es ist diess Alles vermuthlich ebenfalls Religion, wenngleich unter dem Aufputz der Wissenschaft. - Uebrigens: wenn alle Völker über gewisse religiöse Dinge, zum Beispiel die Existenz eines Gottes, übereinstimmten (was, beiläufig gesagt, in Betreff dieses Punctes nicht der Fall ist), so würde diess doch eben nur ein Gegenargument gegen jene behaupteten Dinge, zum Beispiel die Existenz eines Gottes sein: der consensus gentium und überhaupt hominum kann billigerweise nur einer Narrheit gelten. Dagegen giebt es einen consensus omnium sapientium gar nicht, in Bezug auf kein einziges Ding, mit jener Ausnahme, von welcher der Goethe'sche Vers spricht:

Alle die Weisesten aller der Zeiten lächeln und winken und stimmen mit ein: Thöricht, auf Bess'rung der Thoren zu harren! Kinder der Klugheit, o habet die Narren eben zum Narren auch, wie sich's gehört!

Ohne Vers und Reim gesprochen und auf unseren Fall angewendet: der consensus sapientium besteht darin, dass der consensus gentium einer Narrheit gilt.

The Truth in Religion.—In the ages of enlightenment justice was not done to the importance of religion, of this there can be no doubt. It is also equally certain that in the ensuing reaction of enlightenment, the demands of justice were far exceeded inasmuch as religion was treated with love, even with infatuation and proclaimed as a profound, indeed the most profound knowledge of the world, which science had but to divest of its dogmatic garb in order to possess "truth" in its unmythical form. Religions must therefore—this was the contention of all foes of enlightenment—sensu allegorico, with regard for the comprehension of the masses, give expression to that ancient truth which is wisdom in itself, inasmuch as all science of modern times has led up to it instead of away from it. So that between the most ancient wisdom of man and all later wisdom there prevails harmony, even similarity of viewpoint; and the advancement of knowledge—if one be disposed to concede such a thing—has to do not with its nature but with its propagation. This whole conception of religion and science is through and through erroneous, and none would to-day be hardy enough to countenance it had not Schopenhauer's rhetoric taken it under protection, this high sounding rhetoric which now gains[140] auditors after the lapse of a generation. Much as may be gained from Schopenhauer's religio-ethical human and cosmical oracle as regards the comprehension of Christianity and other religions, it is nevertheless certain that he erred regarding the value of religion to knowledge. He himself was in this but a servile pupil of the scientific teachers of his time who had all taken romanticism under their protection and renounced the spirit of enlightenment. Had he been born in our own time it would have been impossible for him to have spoken of the sensus allegoricus of religion. He would instead have done truth the justice to say: never has a religion, directly or indirectly, either as dogma or as allegory, contained a truth. For all religions grew out of dread or necessity, and came into existence through an error of the reason. They have, perhaps, in times of danger from science, incorporated some philosophical doctrine or other into their systems in order to make it possible to continue one's existence within them. But this is but a theological work of art dating from the time in which a religion began to doubt of itself. These theological feats of art, which are most common in Christianity as the religion of a learned age, impregnated with philosophy, have led to this superstition of the sensus allegoricus, as has, even more, the habit of the philosophers141 of dealing with their own feelings as if they constituted the fundamental nature of humanity and hence of giving their own religious feelings a predominant influence over the structure of their systems. As the philosophers mostly philosophised under the influence of hereditary religious habits, or at least under the traditional influence of this "metaphysical necessity," they naturally arrived at conclusions closely resembling the Judaic or Christian or Indian religious tenets—resembling, in the way that children are apt to look like their mothers: only in this case the fathers were not certain as to the maternity, as easily happens—but in the innocence of their admiration, they fabled regarding the family likeness of all religion and science. In reality, there exists between religion and true science neither relationship nor friendship, not even enmity: they dwell in different spheres. Every philosophy that lets the religious comet gleam through the darkness of its last outposts renders everything within it that purports to be science, suspicious. It is all probably religion, although it may assume the guise of science.—Moreover, though all the peoples agree concerning certain religious things, for example, the existence of a god (which, by the way, as regards this point,[142] is not the case) this fact would constitute an argument against the thing agreed upon, for example the very existence of a god. The consensus gentium and especially hominum can probably amount only to an absurdity. Against it there is no consensus omnium sapientium whatever, on any point, with the exception of which Goethe's verse speaks:

"All greatest sages to all latest ages
Will smile, wink and slily agree
'Tis folly to wait till a fool's empty pate
Has learned to be knowing and free.
So children of wisdom must look upon fools
As creatures who're never the better for schools."

Stated without rhyme or metre and adapted to our case: the consensus sapientium is to the effect that the consensus gentium amounts to an absurdity.

111.

Ursprung des religiösen Cultus'. - Versetzen wir uns in die Zeiten zurück, in welchen das religiöse Leben am kräftigsten aufblühte, so finden wir eine Grundüberzeugung vor, welche wir jetzt nicht mehr theilen und derentwegen wir ein für alle Mal die Thore zum religiösen Leben uns verschlossen sehen: sie betrifft die Natur und den Verkehr mit ihr. Man weiss in jenen Zeiten noch Nichts von Naturgesetzen; weder für die Erde noch für den Himmel giebt es ein Müssen; eine Jahreszeit, der Sonnenschein, der Regen kann kommen oder auch ausbleiben. Es fehlt überhaupt jeder Begriff der natürlichen Causalität. Wenn man rudert, ist es nicht das Rudern, was das Schiff bewegt, sondern Rudern ist nur eine magische Ceremonie, durch welche man einen Dämon zwingt, das Schiff zu bewegen. Alle Erkrankungen, der Tod selbst ist Resultat magischer Einwirkungen. Es geht bei Krankwerden und Sterben nie natürlich zu; die ganze Vorstellung vom "natürlichen Hergang" fehlt, - sie dämmert erst bei den älteren Griechen, das heisst in einer sehr späten Phase der Menschheit, in der Conception der über den Göttern thronenden Moira. Wenn Einer mit dem Bogen schiesst, so ist immer noch eine irrationelle Hand und Kraft dabei; versiegen plötzlich die Quellen, so denkt man zuerst an unterirdische Dämonen und deren Tücken; der Pfeil eines Gottes muss es sein, unter dessen unsichtbarer Wirkung ein Mensch auf einmal niedersinkt. In Indien pflegt (nach Lubbock) ein Tischler seinem Hammer, seinem Beil und den übrigen Werkzeugen Opfer darzubringen; ein Brahmane behandelt den Stift, mit dem er schreibt, ein Soldat die Waffen, die er im Felde braucht, ein Maurer seine Kelle, ein Arbeiter seinen Pflug in gleicher Weise. Die ganze Natur ist in der Vorstellung religiöser Menschen eine Summe von Handlungen bewusster und wollender Wesen, ein ungeheurer Complex von Willkürlichkeiten. Es ist in Bezug auf Alles, was ausser uns ist, kein Schluss gestattet, dass irgend Etwas so und so sein werde, so und so kommen müsse; das ungefähr Sichere, Berechenbare sind wir: der Mensch ist die Regel, die Natur die Regellosigkeit, - dieser Satz enthält die Grundüberzeugung, welche rohe, religiös productive Urculturen beherrscht. Wir jetzigen Menschen empfinden gerade völlig umgekehrt: je reicher jetzt der Mensch sich innerlich fühlt, je polyphoner sein Subject ist, um so gewaltiger wirkt auf ihn das Gleichmaass der Natur; wir Alle erkennen mit Goethe in der Natur das grosse Mittel der Beschwichtigung für die moderne Seele, wir hören den Pendelschlag der grössten Uhr mit einer Sehnsucht nach Ruhe, nach Heimisch- und Stillewerden an, als ob wir dieses Gleichmaass in uns hineintrinken und dadurch zum Genuss unser selbst erst kommen könnten. Ehemals war es umgekehrt: denken wir an rohe, frühe Zustände von Völkern zurück oder sehen wir die jetzigen Wilden in der Nähe, so finden wir sie auf das stärkste durch das Gesetz, das Herkommen bestimmt: das Individuum ist fast automatisch an dasselbe gebunden und bewegt sich mit der Gleichförmigkeit eines Pendels. Ihm muss die Natur - die unbegriffene, schreckliche, geheimnissvolle Natur - als das Reich der Freiheit, der Willkür, der höheren Macht erscheinen, ja gleichsam als eine übermenschliche Stufe des Daseins, als Gott. Nun aber fühlt jeder Einzelne solcher Zeiten und Zustände, wie von jenen Willkürlichkeiten der Natur seine Existenz, sein Glück, das der Familie, des Staates, das Gelingen aller Unternehmungen abhängen: einige Naturvorgänge müssen zur rechten Zeit eintreten, andere zur rechten Zeit ausbleiben. Wie kann man einen Einfluss auf diese furchtbaren Unbekannten ausüben, wie kann man das Reich der Freiheit binden? so fragt er sich, so forscht er ängstlich: giebt es denn keine Mittel, jene Mächte ebenso durch ein Herkommen und Gesetz regelmässig zu machen, wie du selber regelmässig bist? - Das Nachdenken der magie- und wundergläubigen Menschen geht dahin, der Natur ein Gesetz auf zulegen -: und kurz gesagt, der religiöse Cultus ist das Ergebniss dieses Nachdenkens. Das Problem, welches jene Menschen sich vorlegen, ist auf das engste verwandt mit diesem: wie kann der schwächere Stamm dem stärkeren doch Gesetze dictiren, ihn bestimmen, seine Handlungen (im Verhalten zum schwächeren) leiten? Man wird zuerst sich der harmlosesten Art eines Zwanges erinnern, jenes Zwanges, den man ausübt, wenn man jemandes Neigung erworben hat. Durch Flehen und Gebete, durch Unterwerfung, durch die Verpflichtung zu regelmässigen Abgaben und Geschenken, durch schmeichelhafte Verherrlichungen ist es also auch möglich, auf die Mächte der Natur einen Zwang auszuüben, insofern man sie sich geneigt macht: Liebe bindet und wird gebunden. Dann kann man Verträge schliessen, wobei man sich zu bestimmtem Verhalten gegenseitig verpflichtet, Pfänder stellt und Schwüre wechselt. Aber viel wichtiger ist eine Gattung gewaltsameren Zwanges, durch Magie und Zauberei. Wie der Mensch mit Hülfe des Zauberers einem stärkeren Feind doch zu schaden weiss und ihn vor sich in Angst erhält, wie der Liebeszauber in die Ferne wirkt, so glaubt der schwächere Mensch auch die mächtigeren Geister der Natur bestimmen zu können. Das Hauptmittel aller Zauberei ist, dass man Etwas in Gewalt bekommt, das jemandem zu eigen ist, Haare, Nägel, etwas Speise von seinem Tisch, ja selbst sein Bild, seinen Namen. Mit solchem Apparate kann man dann zaubern; denn die Grundvoraussetzung lautet: zu allem Geistigen gehört etwas Körperliches; mit dessen Hülfe vermag man den Geist zu binden, zu Schädigen, zu vernichten; das Körperliche giebt die Handhabe ab, mit der man das Geistige fassen kann. So wie nun der Mensch den Menschen bestimmt, so bestimmt er auch irgend einen Naturgeist; denn dieser hat auch sein Körperliches, an dem er zu fassen ist. Der Baum und, verglichen mit ihm, der Keim, aus dem er entstand, - dieses räthselhafte Nebeneinander scheint zu beweisen, dass in beiden Formen sich ein und der selbe Geist eingekörpert habe, bald klein, bald gross. Ein Stein, der plötzlich rollt, ist der Leib, in welchem ein Geist wirkt; liegt auf einsamer Haide ein Block, erscheint es unmöglich, an Menschenkraft zu denken, die ihn hierher gebracht habe, so muss also der Stein sich selbst hinbewegt haben, das heisst: er muss einen Geist beherbergen. Alles, was einen Leib hat, ist der Zauberei zugänglich, also auch die Naturgeister. Ist ein Gott geradezu an sein Bild gebunden, so kann man auch ganz directen Zwang (durch Verweigerung der Opfernahrung, Geisseln, in-Fesseln-Legen und Aehnliches) gegen ihn ausüben. Die geringen Leute in China umwinden, um die fehlende Gunst ihres Gottes zu ertrotzen, das Bild desselben, der sie in Stich gelassen hat, mit Stricken, reissen es nieder, schleifen es über die Strassen durch Lehm- und Düngerhaufen; "du Hund von einem Geiste, sagen sie, wir liessen dich in einem prächtigen Tempel wohnen, wir vergoldeten dich hübsch, wir fütterten dich gut, wir brachten dir Opfer und doch bist du so undankbar." Aehnliche Gewaltmaassregeln gegen Heiligen- und Muttergottesbilder, wenn sie etwa bei Pestilenzen oder Regenmangel ihre Schuldigkeit nicht thun wollten, sind noch während dieses Jahrhunderts in katholischen Ländern vorgekommen. - Durch alle diese zauberischen Beziehungen zur Natur sind unzählige Ceremonien in's Leben gerufen: und endlich, wenn der Wirrwarr derselben zu gross geworden ist, bemüht man sich, sie zu ordnen, zu systematisiren, so dass man den günstigen Verlauf des gesammten Ganges der Natur, namentlich des grossen Jahreskreislaufs, sich durch einen entsprechenden Verlauf eines Proceduren-Systems zu verbürgen meint. Der Sinn des religiösen Cultus' ist, die Natur zu menschlichem Vortheil zu bestimmen und zu bannen, also ihr eine Gesetzlichkeit einzuprägen, die sie von vornherein nicht hat; während in der jetzigen Zeit man die Gesetzlichkeit der Natur erkennen will, um sich in sie zu schicken. Kurz, der religiöse Cultus ruht auf den Vorstellungen der Zauberei zwischen Mensch und Mensch; und der Zauberer ist älter, als der Priester. Aber ebenso ruht er auf anderen und edleren Vorstellungen; er setzt das sympathische Verhältniss von Mensch zu Mensch, das Dasein von Wohlwollen, Dankbarkeit, Erhörung Bittender, von Verträgen zwischen Feinden, von Verleihung der Unterpfänder, von Anspruch auf Schutz des Eigenthums voraus. Der Mensch steht auch in sehr niederen Culturstufen nicht der Natur als ohnmächtiger Sclave gegenüber, er ist nicht nothwendig der willenlose Knecht derselben: auf der griechischen Stufe der Religion, besonders im Verhalten zu den olympischen Göttern, ist sogar an ein Zusammenleben von zwei Kasten, einer vornehmeren, mächtigeren und einer weniger vornehmen zu denken; aber beide gehören, ihrer Herkunft nach, irgendwie zusammen und sind Einer Art, sie brauchen sich vor einander nicht zu schämen. Das ist das Vornehme in der griechischen Religiosität.

Origin of Religious Worship.—Let us transport ourselves back to the times in which religious life flourished most vigorously and we will find a fundamental conviction prevalent which we no longer share and which has resulted in the closing of the door to religious life once for all so far as we are concerned: this conviction has to do with nature and intercourse with her. In those times nothing is yet known of nature's laws. Neither for earth nor for heaven is there[143] a must. A season, sunshine, rain can come or stay away as it pleases. There is wanting, in particular, all idea of natural causation. If a man rows, it is not the oar that moves the boat, but rowing is a magical ceremony whereby a demon is constrained to move the boat. All illness, death itself, is a consequence of magical influences. In sickness and death nothing natural is conceived. The whole idea of "natural course" is wanting. The idea dawns first upon the ancient Greeks, that is to say in a very late period of humanity, in the conception of a Moira [fate] ruling over the gods. If any person shoots off a bow, there is always an irrational strength and agency in the act. If the wells suddenly run dry, the first thought is of subterranean demons and their pranks. It must have been the dart of a god beneath whose invisible influence a human being suddenly collapses. In India, the carpenter (according to Lubbock) is in the habit of making devout offerings to his hammer and hatchet. A Brahmin treats the plume with which he writes, a soldier the weapon that he takes into the field, a mason his trowel, a laborer his plow, in the same way. All nature is, in the opinion of religious people, a sum total of the doings of conscious and willing beings, an immense mass of complex volitions. In regard to all that takes place outside of us no conclusion is permissible[144] that anything will result thus and so, must result thus and so, that we are comparatively calculable and certain in our experiences, that man is the rule, nature the ruleless. This view forms the fundamental conviction that dominates crude, religion-producing, early civilizations. We contemporary men feel exactly the opposite: the richer man now feels himself inwardly, the more polyphone the music and the sounding of his soul, the more powerfully does the uniformity of nature impress him. We all, with Goethe, recognize in nature the great means of repose for the soul. We listen to the pendulum stroke of this great clock with longing for rest, for absolute calm and quiescence, as if we could drink in the uniformity of nature and thereby arrive first at an enjoyment of oneself. Formerly it was the reverse: if we carry ourselves back to the periods of crude civilization, or if we contemplate contemporary savages, we will find them most strongly influenced by rule, by tradition. The individual is almost automatically bound to rule and tradition and moves with the uniformity of a pendulum. To him nature—the uncomprehended, fearful, mysterious nature—must seem the domain of freedom, of volition, of higher power, indeed as an ultra-human degree of destiny, as god. Every individual in such periods and circumstances feels that his existence, his[145] happiness, the existence and happiness of the family, the state, the success or failure of every undertaking, must depend upon these dispositions of nature. Certain natural events must occur at the proper time and certain others must not occur. How can influence be exercised over this fearful unknown, how can this domain of freedom be brought under subjection? thus he asks himself, thus he worries: Is there no means to render these powers of nature as subject to rule and tradition as you are yourself?—The cogitation of the superstitious and magic-deluded man is upon the theme of imposing a law upon nature: and to put it briefly, religious worship is the result of such cogitation. The problem which is present to every man is closely connected with this one: how can the weaker party dictate laws to the stronger, control its acts in reference to the weaker? At first the most harmless form of influence is recollected, that influence which is acquired when the partiality of anyone has been won. Through beseeching and prayer, through abject humiliation, through obligations to regular gifts and propitiations, through flattering homages, it is possible, therefore, to impose some guidance upon the forces of nature, to the extent that their partiality be won: love binds and is bound. Then agreements can be entered into by means of which certain[146] courses of conduct are mutually concluded, vows are made and authorities prescribed. But far more potent is that species of power exercised by means of magic and incantation. As a man is able to injure a powerful enemy by means of the magician and render him helpless with fear, as the love potion operates at a distance, so can the mighty forces of nature, in the opinion of weaker mankind, be controlled by similar means. The principal means of effecting incantations is to acquire control of something belonging to the party to be influenced, hair, finger nails, food from his table, even his picture or his name. With such apparatus it is possible to act by means of magic, for the basic principle is that to everything spiritual corresponds something corporeal. With the aid of this corporeal element the spirit may be bound, injured or destroyed. The corporeal affords the handle by which the spiritual can be laid hold of. In the same way that man influences mankind does he influences some spirit of nature, for this latter has also its corporeal element that can be grasped. The tree, and on the same basis, the seed from which it grew: this puzzling sequence seems to demonstrate that in both forms the same spirit is embodied, now large, now small. A stone that suddenly rolls, is the body in which the spirit works. Does a huge boulder lie in a[147] lonely moor? It is impossible to think of mortal power having placed it there. The stone must have moved itself there. That is to say some spirit must dominate it. Everything that has a body is subject to magic, including, therefore, the spirits of nature. If a god is directly connected with his portrait, a direct influence (by refraining from devout offerings, by whippings, chainings and the like) can be brought to bear upon him. The lower classes in China tie cords around the picture of their god in order to defy his departing favor, when he has left them in the lurch, and tear the picture to pieces, drag it through the streets into dung heaps and gutters, crying: "You dog of a spirit, we housed you in a beautiful temple, we gilded you prettily, we fed you well, we brought you offerings, and yet how ungrateful you are!" Similar displays of resentment have been made against pictures of the mother of god and pictures of saints in Catholic countries during the present century when such pictures would not do their duty during times of pestilence and drought.

Through all these magical relationships to nature countless ceremonies are occasioned, and finally, when their complexity and confusion grow too great, pains are taken to systematize them, to arrange them so that the favorable course of nature's progress, namely the great[148] yearly circle of the seasons, may be brought about by a corresponding course of the ceremonial progress. The aim of religious worship is to influence nature to human advantage, and hence to instil a subjection to law into her that originally she has not, whereas at present man desires to find out the subjection to law of nature in order to guide himself thereby. In brief, the system of religious worship rests upon the idea of magic between man and man, and the magician is older than the priest. But it rests equally upon other and higher ideas. It brings into prominence the sympathetic relation of man to man, the existence of benevolence, gratitude, prayer, of truces between enemies, of loans upon security, of arrangements for the protection of property. Man, even in very inferior degrees of civilization, does not stand in the presence of nature as a helpless slave, he is not willy-nilly the absolute servant of nature. In the Greek development of religion, especially in the relationship to the Olympian gods, it becomes possible to entertain the idea of an existence side by side of two castes, a higher, more powerful, and a lower, less powerful: but both are bound together in some way, on account of their origin and are one species. They need not be ashamed of one another. This is the element of distinction in Greek religion.

[149]

112.

Beim Anblick gewisser antiker Opfergeräthschaften. - Wie manche Empfindungen uns verloren gehen, ist zum Beispiel an der Vereinigung des Possenhaften, selbst des Obscönen, mit dem religiösen Gefühl zu sehen: die Empfindung für die Möglichkeit dieser Mischung schwindet, wir begreifen es nur noch historisch, dass sie existirte, bei den Demeter- und Dionysosfesten, bei den christlichen Osterspielen und Mysterien: aber auch wir kennen noch das Erhabene im Bunde mit dem Burlesken und dergleichen, das Rührende mit dem Lächerlichen verschmolzen: was vielleicht eine spätere Zeit auch nicht mehr verstehen wird.

At the Contemplation of Certain Ancient Sacrificial Proceedings.—How many sentiments are lost to us is manifest in the union of the farcical, even of the obscene, with the religious feeling. The feeling that this mixture is possible is becoming extinct. We realize the mixture only historically, in the mysteries of Demeter and Dionysos and in the Christian Easter festivals and religious mysteries. But we still perceive the sublime in connection with the ridiculous, and the like, the emotional with the absurd. Perhaps a later age will be unable to understand even these combinations.

113.

Christenthum als Alterthum. - Wenn wir eines Sonntag Morgens die alten Glocken brummen hören, da fragen wir uns: ist es nur möglich! diess gilt einem vor zwei Jahrtausenden gekreuzigten Juden, welcher sagte, er sei Gottes Sohn. Der Beweis für eine solche Behauptung fehlt. - Sicherlich ist innerhalb unserer Zeiten die christliche Religion ein aus ferner Vorzeit hereinragendes Alterthum, und dass man jene Behauptung glaubt, - während man sonst so streng in der Prüfung von Ansprüchen ist -, ist vielleicht das älteste Stück dieses Erbes. Ein Gott, der mit einem sterblichen Weibe Kinder erzeugt; ein Weiser, der auffordert, nicht mehr zu arbeiten, nicht mehr Gericht zu halten, aber auf die Zeichen des bevorstehenden Weltunterganges zu achten; eine Gerechtigkeit, die den Unschuldigen als stellvertretendes Opfer annimmt; jemand, der seine jünger sein Blut trinken heisst; Gebete um Wundereingriffe; Sünden an einem Gott verübt, durch einen Gott gebüsst; Furcht vor einem jenseits, zu welchem der Tod die Pforte ist; die Gestalt des Kreuzes als Symbol inmitten einer Zeit, welche die Bestimmung und die Schmach des Kreuzes nicht mehr kennt, - wie schauerlich weht uns diess Alles, wie aus dem Grabe uralter Vergangenheit, an! Sollte man glauben, dass so Etwas noch geglaubt wird?

Christianity as Antiquity.—When on a Sunday morning we hear the old bells ringing, we ask ourselves: Is it possible? All this for a Jew crucified two thousand years ago who said he was God's son? The proof of such an assertion is lacking.—Certainly, the Christian religion constitutes in our time a protruding bit of antiquity from very remote ages and that its assertions are still generally believed—although men have become so keen in the scrutiny of claims—constitutes the oldest relic of this inheritance. A god who begets children by a mortal[150] woman; a sage who demands that no more work be done, that no more justice be administered but that the signs of the approaching end of the world be heeded; a system of justice that accepts an innocent as a vicarious sacrifice in the place of the guilty; a person who bids his disciples drink his blood; prayers for miracles; sins against a god expiated upon a god; fear of a hereafter to which death is the portal; the figure of the cross as a symbol in an age that no longer knows the purpose and the ignominy of the cross—how ghostly all these things flit before us out of the grave of their primitive antiquity! Is one to believe that such things can still be believed?

114.

Das Ungriechische im Christenthum. - Die Griechen sahen über sich die homerischen Götter nicht als Herren und sich unter ihnen nicht als Knechte, wie die Juden. Sie sahen gleichsam nur das Spiegelbild der gelungensten Exemplare ihrer eigenen Kaste, also ein Ideal, keinen Gegensatz des eigenen Wesens. Man fühlt sich mit einander verwandt, es besteht ein gegenseitiges Interesse, eine Art Symmachie. Der Mensch denkt vornehm von sich, wenn er sich solche Götter giebt, und stellt sich in ein Verhältniss, wie das des niedrigeren Adels zum höheren ist; während die italischen Völker eine rechte Bauern-Religion haben, mit fortwährender Aengstlichkeit gegen böse und launische Machtinhaber und Quälgeister. Wo die olympischen Götter zurücktraten, da war auch das griechische Leben düsterer und ängstlicher. - Das Christenthum dagegen zerdrückte und zerbrach den Menschen vollständig und versenkte ihn wie in tiefen Schlamm: in das Gefühl völliger Verworfenheit liess es dann mit Einem Male den Glanz eines göttlichen Erbarmens hineinleuchten, so dass der Ueberraschte, durch Gnade Betäubte, einen Schrei des Entzückens ausstiess und für einen Augenblick den ganzen Himmel in sich zu tragen glaubte. Auf diesen krankhaften Excess des Gefühls, auf die dazu nöthige tiefe Kopf- und Herz-Corruption wirken alle psychologischen Erfindungen des Christenthums hin: es will vernichten, zerbrechen, betäuben, berauschen, es will nur Eins nicht: das Maass, und desshalb ist es im tiefsten Verstande barbarisch, asiatisch, unvornehm, ungriechisch.

The Un-Greek in Christianity.—The Greeks did not look upon the Homeric gods above them as lords nor upon themselves beneath as servants, after the fashion of the Jews. They saw but the counterpart as in a mirror of the most perfect specimens of their own caste, hence an ideal, but no contradiction of their own nature. There was a feeling of mutual relationship, resulting in a mutual interest, a sort of alliance. Man thinks well of himself when he gives himself such gods and places himself in a[151] relationship akin to that of the lower nobility with the higher; whereas the Italian races have a decidedly vulgar religion, involving perpetual anxiety because of bad and mischievous powers and soul disturbers. Wherever the Olympian gods receded into the background, there even Greek life became gloomier and more perturbed.—Christianity, on the other hand, oppressed and degraded humanity completely and sank it into deepest mire: into the feeling of utter abasement it suddenly flashed the gleam of divine compassion, so that the amazed and grace-dazzled stupefied one gave a cry of delight and for a moment believed that the whole of heaven was within him. Upon this unhealthy excess of feeling, upon the accompanying corruption of heart and head, Christianity attains all its psychological effects. It wants to annihilate, debase, stupefy, amaze, bedazzle. There is but one thing that it does not want: measure, standard (das Maas) and therefore is it in the worst sense barbarous, asiatic, vulgar, un-Greek.

115.

Mit Vortheil religiös sein. - Es giebt nüchterne und gewerbstüchtige Leute, denen die Religion wie ein Saum höheren Menschenthums angestickt ist: diese thun sehr wohl, religiös zu bleiben, es verschönert sie. - Alle Menschen, welche sich nicht auf irgend ein Waffenhandwerk verstehen - Mund und Feder als Waffen eingerechnet - werden servil: für solche ist die christliche Religion sehr nützlich, denn die Servilität nimmt darin den Anschein einer christlichen Tugend an und wird erstaunlich verschönert. - Leute, welchen ihr tägliches Leben zu leer und eintönig vorkommt, werden leicht religiös: diess ist begreiflich und verzeihlich, nur haben sie kein Recht, Religiosität von Denen zu fordern, denen das tägliche Leben nicht leer und eintönig verfliesst.

Being Religious to Some Purpose.—There are certain insipid, traffic-virtuous people to whom religion is pinned like the hem of some garb of a higher humanity. These people do[152] well to remain religious: it adorns them. All who are not versed in some professional weapon—including tongue and pen as weapons—are servile: to all such the Christian religion is very useful, for then their servility assumes the aspect of Christian virtue and is amazingly adorned.—People whose daily lives are empty and colorless are readily religious. This is comprehensible and pardonable, but they have no right to demand that others, whose daily lives are not empty and colorless, should be religious also.

116.

Der Alltags-Christ. - Wenn das Christenthum mit seinen Sätzen vom rächenden Gotte, der allgemeinen Sündhaftigkeit, der Gnadenwahl und der Gefahr einer ewigen Verdammniss, Recht hätte, so wäre es ein Zeichen von Schwachsinn und Charakterlosigkeit, nicht Priester, Apostel oder Einsiedler zu werden und mit Furcht und Zittern einzig am eigenen Heile zu arbeiten; es wäre unsinnig, den ewigen Vortheil gegen die zeitliche Bequemlichkeit so aus dem Auge zu lassen. Vorausgesetzt, dass überhaupt geglaubt wird, so ist der Alltags-Christ eine erbärmliche Figur, ein Mensch, der wirklich nicht bis drei zählen kann, und der übrigens, gerade wegen seiner geistigen Unzurechnungsfähigkeit, es nicht verdiente, so hart bestraft zu werden, als das Christenthum ihm verheisst.

The Everyday Christian.—If Christianity, with its allegations of an avenging God, universal sinfulness, choice of grace, and the danger of eternal damnation, were true, it would be an indication of weakness of mind and character not to be a priest or an apostle or a hermit, and toil for one's own salvation. It would be irrational to lose sight of one's eternal well being in comparison with temporary advantage: Assuming these dogmas to be generally believed, the every day Christian is a pitiable figure, a man who really cannot count as far as three, and who, for the rest, just because of his intellectual incapacity, does not deserve to be as hard punished as Christianity promises he shall be.

[153]

117.

Von der Klugheit des Christenthums. - Es ist ein Kunstgriff des Christenthums, die völlige Unwürdigkeit, Sündhaftigkeit und Verächtlichkeit des Menschen überhaupt so laut zu lehren, dass die Verachtung der Mitmenschen dabei nicht mehr möglich ist. "Er mag sündigen, wie er wolle, er unterscheidet sich doch nicht wesentlich von mir: ich bin es, der in jedem Grade unwürdig und verächtlich ist," so sagt sich der Christ. Aber auch dieses Gefühl hat seinen spitzigsten Stachel verloren, weil der Christ nicht an seine individuelle Verächtlichkeit glaubt: er ist böse als Mensch überhaupt und beruhigt sich ein Wenig bei dem Satze: Wir Alle sind Einer Art.

Concerning the Cleverness of Christianity.—It is a master stroke of Christianity to so emphasize the unworthiness, sinfulness and degradation of men in general that contempt of one's fellow creatures becomes impossible. "He may sin as much as he pleases, he is not by nature different from me. It is I who in every way am unworthy and contemptible." So says the Christian to himself. But even this feeling has lost its keenest sting for the Christian does not believe in his individual degradation. He is bad in his general human capacity and he soothes himself a little with the assertion that we are all alike.

118.

Personenwechsel. - Sobald eine Religion herrscht, hat sie alle Die zu ihren Gegnern, welche ihre ersten jünger gewesen wären.

Personal Change.—As soon as a religion rules, it has for its opponents those who were its first disciples.

119.

Schicksal des Christenthums. - Das Christenthum entstand, um das Herz zu erleichtern; aber jetzt müsste es das Herz erst beschweren, um es nachher erleichtern zu können. Folglich wird es zu Grunde gehen.

Fate of Christianity.—Christianity arose to lighten the heart, but now it must first make the heart heavy in order to be able to lighten it afterwards. Christianity will consequently go down.

[154]

120.

Der Beweis der Lust. - Die angenehme Meinung wird als wahr angenommen: diess ist der Beweis der Lust (oder, wie die Kirche sagt, der Beweis der Kraft), auf welchen alle Religionen so stolz sind, während sie sich dessen doch schämen sollten. Wenn der Glaube nicht selig machte, so würde er nicht geglaubt werden: wie wenig wird er also werth sein!

The Testimony of Pleasure.—The agreeable opinion is accepted as true. This is the testimony of pleasure (or as the church says, the evidence of strength) of which all religions are so proud, although they should all be ashamed of it. If a belief did not make blessed it would not be believed. How little it would be worth, then!

121.

Gefährliches Spiel. - Wer jetzt der religiösen Empfindung wieder in sich Raum giebt, der muss sie dann auch wachsen lassen, er kann nicht anders. Da verändert sich allmählich sein Wesen, es bevorzugt das dem religiösen Element Anhängende, Benachbarte, der ganze Umkreis des Urtheilens und Empfindens wird umwölkt, mit religiösen Schatten überflogen. Die Empfindung kann nicht still stehen; man nehme sich also in Acht.

Dangerous Play.—Whoever gives religious feeling room, must then also let it grow. He can do nothing else. Then his being gradually changes. The religious element brings with it affinities and kinships. The whole circle of his judgment and feeling is clouded and draped in religious shadows. Feeling cannot stand still. One should be on one's guard.

122.

Die blinden Schüler. - So lange Einer sehr gut die Stärke und, Schwäche seiner Lehre, seiner Kunstart, seiner Religion kennt, ist deren Kraft noch gering. Der Schüler und Apostel, welcher für die Schwäche der Lehre, der Religion und so weiter, kein Auge hat, geblendet durch das Ansehen des Meisters und durch seine Pietät gegen ihn, hat desshalb gewöhnlich mehr Macht, als der Meister. Ohne die blinden Schüler ist noch nie der Einfluss eines Mannes und seines Werkes gross geworden. Einer Erkenntniss zum Siege verhelfen heisst oft nur: sie so mit der Dummheit verschwistern, dass das Schwergewicht der letzteren auch den Sieg für die erstere erzwingt.

The Blind Pupil.—As long as one knows very well the strength and the weakness of one's dogma, one's art, one's religion, its strength is still low. The pupil and apostle who has no eye for the weaknesses of a dogma, a religion and so on, dazzled by the aspect of the master and by his own reverence for him, has, on that very[155] account, generally more power than the master. Without blind pupils the influence of a man and his work has never become great. To give victory to knowledge, often amounts to no more than so allying it with stupidity that the brute force of the latter forces triumph for the former.

123.

Abbruch der Kirchen. - Es ist nicht genug an Religion in der Welt, um die Religionen auch nur zu vernichten.

The Breaking off of Churches.—There is not sufficient religion in the world merely to put an end to the number of religions.

124.

Sündlosigkeit des Menschen. - Hat man begriffen, "wie die Sünde in die Welt gekommen" ist, nämlich durch Irrthümer der Vernunft, vermöge deren die Menschen unter einander, ja der einzelne Mensch sich selbst für viel schwärzer und böser nimmt, als es thatsächlich der Fall ist, so wird die ganze Empfindung sehr erleichtert, und Menschen und Welt erscheinen mitunter in einer Glorie von Harmlosigkeit, dass es Einem von Grund aus wohl dabei wird. Der Mensch ist inmitten der Natur immer das Kind an sich. Diess Kind träumt wohl einmal einen schweren beängstigenden Traum, wenn es aber die Augen aufschlägt, so sieht es sich immer wieder im Paradiese.

Sinlessness of Men.—If one have understood how "Sin came into the world," namely through errors of the reason, through which men in their intercourse with one another and even individual men looked upon themselves as much blacker and wickeder than was really the case, one's whole feeling is much lightened and man and the world appear together in such a halo of harmlessness that a sentiment of well being is instilled into one's whole nature. Man in the midst of nature is as a child left to its own devices. This child indeed dreams a heavy, anxious dream. But when it opens its eyes it finds itself always in paradise.

[156]

125.

Irreligiosität der Künstler. - Homer ist unter seinen Göttern so zu Hause: und hat als Dichter ein solches Behagen an ihnen, dass er jedenfalls tief unreligiös gewesen sein muss; mit dem, was der Volksglaube ihm entgegenbrachte - einen dürftigen, rohen, zum Theil schauerlichen Aberglauben - verkehrte er so frei, wie der Bildhauer mit seinem Thon, also mit der selben Unbefangenheit, welche Aeschylus und Aristophanes besassen und durch welche sich in neuerer Zeit die grossen Künstler der Renaissance, sowie Shakespeare und Goethe auszeichneten.

Irreligiousness of Artists.—Homer is so much at home among his gods and is as a poet so good natured to them that he must have been profoundly irreligious. That which was brought to him by the popular faith—a mean, crude and partially repulsive superstition—he dealt with as freely as the Sculptor with his clay, therefore with the same freedom that Æschylus and Aristophanes evinced and with which in later times the great artists of the renaissance, and also Shakespeare and Goethe, drew their pictures.

126.

Kunst und Kraft der falschen Interpretation. - Alle die Visionen, Schrecken, Ermattungen, Entzückungen des Heiligen sind bekannte Krankheits-Zustände, welche von ihm, auf Grund eingewurzelter religiöser und psychologischer Irrthümer, nur ganz anders, nämlich nicht als Krankheiten, gedeutet werden. - So ist vielleicht auch das Dämonion des Sokrates ein Ohrenleiden, das er sich, gemäss seiner herrschenden moralischen Denkungsart, nur anders, als es jetzt geschehen würde, auslegt. Nicht anders steht es mit dem Wahnsinn und Wahnreden der Propheten und Orakelpriester; es ist immer der Grad von Wissen, Phantasie, Bestrebung, Moralität in Kopf und Herz der Interpreten, welcher daraus so viel gemacht hat. Zu den grössten Wirkungen der Menschen, welche man Genie's und Heilige nennt, gehört es, dass sie sich Interpreten erzwingen, welche sie zum Heile der Menschheit missverstehen.

Art and Strength of False Interpretation.—All the visions, fears, exhaustions and delights of the saint are well known symptoms of sickness, which in him, owing to deep rooted religious and psychological delusions, are explained quite differently, that is not as symptoms of sickness.—So, too, perhaps, the demon of Socrates was nothing but a malady of the ear that he explained, in view of his predominant moral theory, in a manner different from what would be thought rational to-day. Nor is the case different with the frenzy and the frenzied speeches of the prophets and of the priests of the oracles. It is always the degree of wisdom, imagination,[157] capacity and morality in the heart and mind of the interpreters that got so much out of them. It is among the greatest feats of the men who are called geniuses and saints that they made interpreters for themselves who, fortunately for mankind, did not understand them.

127.

Verehrung des Wahnsinns. - Weil man bemerkte, dass eine Erregung häufig den Kopf heller machte und glückliche Einfälle hervorrief, so meinte man, durch die höchsten Erregungen werde man der glücklichsten Einfälle und Eingebungen theilhaftig: und so verehrte man den Wahnsinnigen als den Weisen und Orakelgebenden. Hier liegt ein falscher Schluss zu Grunde.

Reverence for Madness.—Because it was perceived that an excitement of some kind often made the head clearer and occasioned fortunate inspirations, it was concluded that the utmost excitement would occasion the most fortunate inspirations. Hence the frenzied being was revered as a sage and an oracle giver. A false conclusion lies at the bottom of all this.

128.

Verheissungen der Wissenschaft. - Die moderne Wissenschaft hat als
Ziel: so wenig Schmerz wie möglich, so lange leben wie möglich, -
also eine Art von ewiger Seligkeit, freilich eine sehr bescheidene im
Vergleich mit den Verheissungen der Religionen.

Promises of Wisdom.—Modern science has as its object as little pain as possible, as long a life as possible—hence a sort of eternal blessedness, but of a very limited kind in comparison with the promises of religion.

129.

Verbotene Freigebigkeit. - Es ist nicht genug Liebe und Güte in der
Welt, um noch davon an eingebildete Wesen wegschenken zu dürfen.

Forbidden Generosity.—There is not enough of love and goodness in the world to throw any of it away on conceited people.

[158]

130.

Fortleben des religiösen Cultus' im Gemüth. - Die katholische Kirche, und vor ihr aller antike Cultus, beherrschte das ganze Bereich von Mitteln, durch welche der Mensch in ungewöhnliche Stimmungen versetzt wird und der kalten Berechnung des Vortheils oder dem reinen Vernunft-Denken entrissen wird. Eine durch tiefe Töne erzitternde Kirche, dumpfe, regelmässige, zurückhaltende Anrufe einer priesterlichen Schaar, welche ihre Spannung unwillkürlich auf die Gemeinde überträgt und sie fast angstvoll lauschen lässt, wie als wenn eben ein Wunder sich vorbereitete, der Anhauch der Architektur, welche als Wohnung einer Gottheit sich in's Unbestimmte ausreckt und in allen dunklen Räumen das Sich-Regen derselben fürchten lässt, - wer wollte solche Vorgänge den Menschen zurückbringen, wenn die Voraussetzungen dazu nicht mehr geglaubt werden? Aber die Resultate von dem Allen sind trotzdem nicht verloren: die innere Welt der erhabenen, gerührten, ahnungsvollen, tiefzerknirschten, hoffnungsseligen Stimmungen ist den Menschen vornehmlich durch den Cultus eingeboren worden; was jetzt davon in der Seele existirt, wurde damals, als er keimte, wuchs und blühte, gross gezüchtet.

Survival of Religious Training in the Disposition.—The Catholic Church, and before it all ancient education, controlled the whole domain of means through which man was put into certain unordinary moods and withdrawn from the cold calculation of personal advantage and from calm, rational reflection. A church vibrating with deep tones; gloomy, regular, restraining exhortations from a priestly band, who involuntarily communicate their own tension to their congregation and lead them to listen almost with anxiety as if some miracle were in course of preparation; the awesome pile of architecture which, as the house of a god, rears itself vastly into the vague and in all its shadowy nooks inspires fear of its nerve-exciting power—who would care to reduce men to the level of these things if the ideas upon which they rest became extinct? But the results of all these things are nevertheless not thrown away: the inner world of exalted, emotional, prophetic, profoundly repentant, hope-blessed moods has become inborn in man largely through cultivation. What still exists in his soul was formerly, as he germinated, grew and bloomed, thoroughly disciplined.

131.

Religiöse Nachwehen. - Glaubt man sich noch so sehr der Religion entwöhnt zu haben, so ist es doch nicht in dem Grade geschehen, dass man nicht Freude hätte, religiösen Empfindungen und Stimmungen ohne begrifflichen Inhalt zu begegnen, zum Beispiel in der Musik; und wenn eine Philosophie uns die Berechtigung von metaphysischen Hoffnungen, von dem dorther zu erlangenden tiefen Frieden der Seele aufzeigt und zum Beispiel von "dem ganzen sichern Evangelium im Blick der Madonnen bei Rafael" spricht, so kommen wir solchen Aussprüchen und Darlegungen mit besonders herzlicher Stimmung entgegen: der Philosoph hat es hier leichter, zu beweisen, er entspricht mit dem, was er geben will, einem Herzen, welches gern nehmen will. Daran bemerkt man, wie die weniger bedachtsamen Freigeister eigentlich nur an den Dogmen Anstoss nehmen, aber recht wohl den Zauber der religiösen Empfindung kennen; es thut ihnen wehe, letztere fahren zu lassen, um der ersteren willen. - Die wissenschaftliche Philosophie muss sehr auf der Hut sein, nicht auf Grund jenes Bedürfnisses - eines gewordenen und folglich auch vergänglichen Bedürfnisses - Irrthümer einzuschmuggeln: selbst Logiker sprechen von "Ahnungen" der Wahrheit in Moral und Kunst (zum Beispiel von der Ahnung, "dass das Wesen der Dinge Eins ist"): was ihnen doch verboten sein sollte. Zwischen den sorgsam erschlossenen Wahrheiten und solchen" geahnten" Dingen bleibt unüberbrückbar die Kluft, dass jene dem Intellect, diese dem Bedürfniss verdankt werden. Der Hunger beweist nicht, dass es zu seiner Sättigung eine Speise giebt, aber er wünscht die Speise. "Ahnen" bedeutet nicht das Dasein einer Sache in irgend einem Grade erkennen, sondern dasselbe für möglich halten, insofern man sie wünscht oder fürchtet; die "Ahnung" trägt keinen Schritt weit in's Land der Gewissheit. - Man glaubt unwillkürlich, die religiös gefärbten Abschnitte einer Philosophie seien besser bewiesen, als die anderen; aber es ist im Grunde umgekehrt, man hat nur den inneren Wunsch, dass es so sein möge, - also dass das Beseligende auch das Wahre sei. Dieser Wunsch verleitet uns, schlechte Gründe als gute einzukaufen.

Religious After-Pains.—Though one believe[159] oneself absolutely weaned away from religion, the process has yet not been so thorough as to make impossible a feeling of joy at the presence of religious feelings and dispositions without intelligible content, as, for example, in music; and if a philosophy alleges to us the validity of metaphysical hopes, through the peace of soul therein attainable, and also speaks of "the whole true gospel in the look of Raphael's Madonna," we greet such declarations and innuendoes with a welcome smile. The philosopher has here a matter easy of demonstration. He responds with that which he is glad to give, namely a heart that is glad to accept. Hence it is observable how the less reflective free spirits collide only with dogmas but yield readily to the magic of religious feelings; it is a source of pain to them to let the latter go simply on account of the former.—Scientific philosophy must be very much on its guard lest on account of this necessity—an evolved and hence, also, a transitory necessity—delusions are smuggled in. Even logicians speak of "presentiments" of truth in ethics and in art (for example of the presentiment that the essence of things is unity) a thing which, nevertheless, ought to be prohibited. Between carefully deduced truths and such "foreboded" things there lies the abysmal distinction that the former are products of the intellect and the latter of the necessity.[160] Hunger is no evidence that there is food at hand to appease it. Hunger merely craves food. "Presentiment" does not denote that the existence of a thing is known in any way whatever. It denotes merely that it is deemed possible to the extent that it is desired or feared. The "presentiment" is not one step forward in the domain of certainty.—It is involuntarily believed that the religious tinted sections of a philosophy are better attested than the others, but the case is at bottom just the opposite: there is simply the inner wish that it may be so, that the thing which beautifies may also be true. This wish leads us to accept bad grounds as good.

132.

Von dem christlichen Erlösungsbedürfniss. - Bei sorgsamer Ueberlegung muss es möglich sein, dem Vorgange in der Seele eines Christen, welchen man Erlösungsbedürfniss nennt, eine Erklärung abzugewinnen, die frei von Mythologie ist: also eine rein psychologische. Bis jetzt sind freilich die psychologischen Erklärungen religiöser Zustände und Vorgänge in einigem Verrufe gewesen, insoweit eine sich frei nennende Theologie auf diesem Gebiete ihr unerspriessliches Wesen trieb: denn bei ihr war es von vornherein, sowie es der Geist ihres Stifters, Schleiermacher's, vermuthen lässt, auf die Erhaltung der christlichen Religion und das Fortbestehen der christlichen Theologen abgesehen; als welche in der psychologischen Analysis der religiösen "Thatsachen" einen neuen Ankergrund und vor Allem eine neue Beschäftigung gewinnen sollten. Unbeirrt von solchen Vorgängern, wagen wir folgende Auslegung des bezeichneten Phänomens. Der Mensch ist sich gewisser Handlungen bewusst, welche in der gebräuchlichen Rangordnung der Handlungen tief stehen, ja er entdeckt in sich einen Hang zu dergleichen Handlungen, der ihm fast so unveränderlich wie sein ganzes Wesen erscheint. Wie gerne versuchte er sich in jener anderen Gattung von Handlungen, welche in der allgemeinen Schätzung als die obersten und höchsten anerkannt sind, wie gerne fühlte er sich voll des guten Bewusstseins, welches einer selbstlosen Denkweise folgen soll! Leider aber bleibt es eben bei diesem Wunsche: die Unzufriedenheit darüber, demselben nicht genügen zu können, kommt zu allen übrigen Arten von Unzufriedenheit hinzu, welche sein Lebensloos überhaupt oder die Folgen jener böse genannten Handlungen in ihm erregt haben; so dass eine tiefe Verstimmung entsteht, mit dem Ausblicke nach einem Arzte, der diese, und alle ihre Ursachen, zu heben vermöchte. - Dieser Zustand würde nicht so bitter empfunden werden, wenn der Mensch sich nur mit anderen Menschen unbefangen vergliche: dann nämlich hätte er keinen Grund, mit sich in einem besonderen Maasse unzufrieden zu sein, er trüge eben nur an der allgemeinen Last der menschlichen Unbefriedigung und Unvollkommenheit. Aber er vergleicht sich mit einem Wesen, welches allein jener Handlungen fähig ist, die unegoistisch genannt werden, und im fortwährenden Bewusstsein einer selbstlosen Denkweise lebt, mit Gott; dadurch, dass er in diesen hellen Spiegel schaut, erscheint ihm sein Wesen so trübe, so ungewöhnlich verzerrt. Sodann ängstigt ihn der Gedanke an das selbe Wesen, insofern dieses als strafende Gerechtigkeit vor seiner Phantasie schwebt: in allen möglichen kleinen und grossen Erlebnissen glaubt er seinen Zorn, seine Drohung zu erkennen, ja die Geisselschläge seines Richter- und Henkerthums schon vorzuempfinden. Wer hilft ihm in dieser Gefahr, welche durch den Hinblick auf eine unermessliche Zeitdauer der Strafe an Grässlichkeit alle anderen Schrecknisse der Vorstellung überbietet?

Of the Christian Need of Salvation.—Careful consideration must render it possible to propound some explanation of that process in the soul of a Christian which is termed need of salvation, and to propound an explanation, too, free from mythology: hence one purely psychological. Heretofore psychological explanations of religious conditions and processes have really been in disrepute, inasmuch as a theology calling itself free gave vent to its unprofitable nature in this domain; for its principal aim, so far as may be judged from the spirit of its creator, Schleier-macher,[161] was the preservation of the Christian religion and the maintenance of the Christian theology. It appeared that in the psychological analysis of religious "facts" a new anchorage and above all a new calling were to be gained. Undisturbed by such predecessors, we venture the following exposition of the phenomena alluded to. Man is conscious of certain acts which are very firmly implanted in the general course of conduct: indeed he discovers in himself a predisposition to such acts that seems to him to be as unalterable as his very being. How gladly he would essay some other kind of acts which in the general estimate of conduct are rated the best and highest, how gladly he would welcome the consciousness of well doing which ought to follow unselfish motive! Unfortunately, however, it goes no further than this longing: the discontent consequent upon being unable to satisfy it is added to all other kinds of discontent which result from his life destiny in particular or which may be due to so called bad acts; so that a deep depression ensues accompanied by a desire for some physician to remove it and all its causes.—This condition would not be found so bitter if the individual but compared himself freely with other men: for then he would have no reason to be discontented with himself in particular as he is merely bearing his share of the[162] general burden of human discontent and incompleteness. But he compares himself with a being who alone must be capable of the conduct that is called unegoistic and of an enduring consciousness of unselfish motive, with God. It is because he gazes into this clear mirror, that his own self seems so extraordinarily distracted and so troubled. Thereupon the thought of that being, in so far as it flits before his fancy as retributive justice, occasions him anxiety. In every conceivable small and great experience he believes he sees the anger of the being, his threats, the very implements and manacles of his judge and prison. What succors him in this danger, which, in the prospect of an eternal duration of punishment, transcends in hideousness all the horrors that can be presented to the imagination?

133.

Bevor wir diesen Zustand in seinen weiteren Folgen uns vorlegen, wollen wir es doch uns eingestehen, dass der Mensch in diesen Zustand nicht durch seine "Schuld" und "Sünde", sondern durch eine Reihe von Irrthümern der Vernunft gerathen ist, dass es der Fehler des Spiegels war, wenn ihm sein Wesen in jenem Grade dunkel und hassenswerth vorkam, und dass jener Spiegel sein Werk, das sehr unvollkommene Werk der menschlichen Phantasie und Urtheilskraft war. Erstens ist ein Wesen, welches einzig rein unegoistischer Handlungen fähig wäre, noch fabelhafter als der Vogel Phönix; es ist deutlich nicht einmal vorzustellen, schon desshalb, weil der ganze Begriff "unegoistische Handlung" bei strenger Untersuchung in die Luft verstiebt. Nie hat ein Mensch Etwas gethan, das allein für Andere und ohne jeden persönlichen Beweggrund gethan wäre; ja wie sollte er Etwas thun können, das ohne Bezug zu ihm wäre, also ohne innere Nöthigung (welche ihren Grund doch in einem persönlichen Bedürfniss haben müsste)? Wie vermöchte das ego ohne ego zu handeln? - Ein Gott, der dagegen ganz Liebe ist, wie gelegentlich angenommen wird, wäre keiner einzigen unegoistischen Handlung fähig: wobei man sich an einen Gedanken Lichtenberg's, der freilich einer niedrigeren Sphäre entnommen ist, erinnern sollte: "Wir können unmöglich für Andere fühlen, wie man zu sagen pflegt; wir fühlen nur für uns. Der Satz klingt hart, er ist es aber nicht, wenn er nur recht verstanden wird. Man liebt weder Vater, noch Mutter, noch Frau, noch Kind, sondern die angenehmen Empfindungen, die sie uns machen", oder wie La Rochefoucauld sagt: "si on croit aimer sa maîtresse pour l'amour d'elle, on est bien trompe'." Wesshalb Handlungen der Liebe höher geschätzt werden, als andere, nämlich nicht ihres Wesens, sondern ihrer Nützlichkeit halber, darüber vergleiche man die schon vorher erwähnten Untersuchungen "über den Ursprung der moralischen Empfindungen". Sollte aber ein Mensch wünschen, ganz wie jener Gott, Liebe zu sein, Alles für Andere, Nichts für sich zu thun, zu wollen, so ist letzteres schon desshalb unmöglich, weil er sehr viel für sich thun muss, um überhaupt Anderen Etwas zu Liebe thun zu können. Sodann setzt es voraus, dass der Andere Egoist genug ist, um jene Opfer, jenes Leben für ihn, immer und immer wieder anzunehmen: so dass die Menschen der Liebe und Aufopferung ein Interesse an dem Fortbestehen der liebelosen und aufopferungsunfähigen Egoisten haben, und die höchste Moralität, um bestehen zu können, förmlich die Existenz der Unmoralität erzwingen müsste (wodurch sie sich freilich selber aufheben würde). - Weiter. die Vorstellung eines Gottes beunruhigt und demüthigt so lange, als sie geglaubt wird, aber wie sie entstanden ist, darüber kann bei dem jetzigen Stande der völkervergleichenden Wissenschaft kein Zweifel mehr sein; und mit der Einsicht in jene Entstehung fällt jener Glaube dahin. Es geht dem Christen, welcher sein Wesen mit dem Gotte vergleicht, so, wie dem Don Quixote, der seine eigne Tapferkeit unterschätzt, weil er die Wunderthaten der Helden aus den Ritterromanen im Kopfe hat; der Maassstab, mit welchem in beiden Fällen gemessen wird, gehört in's Reich der Fabel. Fällt aber die Vorstellung des Gottes weg, so auch das Gefühl der "Sünde" als eines Vergehens gegen göttliche Vorschriften, als eines Fleckens an einem gottgeweihten Geschöpfe. Dann bleibt wahrscheinlich noch jener Unmuth übrig, welcher mit der Furcht vor Strafen der weltlichen Gerechtigkeit, oder vor der Missachtung der Menschen, sehr verwachsen und verwandt ist; der Unmuth der Gewissensbisse, der schärfste Stachel im Gefühl der Schuld, ist immerhin abgebrochen, wenn man einsieht, dass man sich durch seine Handlungen wohl gegen menschliches Herkommen, menschliche Satzungen und Ordnungen vergangen habe, aber damit noch nicht das "ewige Heil der Seele" und ihre Beziehung zur Gottheit gefährdet habe. Gelingt es dem Menschen zuletzt noch, die philosophische Ueberzeugung von der unbedingten Nothwendigkeit aller Handlungen und ihrer völligen Unverantwortlichkeit zu gewinnen und in Fleisch und Blut aufzunehmen, so verschwindet auch jener Rest von Gewissensbissen.

Before we consider this condition in its further effects, we would admit to ourselves that man is betrayed into this condition not through his "fault" and "sin" but through a series of delusions of the reason; that it was the fault of the mirror if his own self appeared to him in the highest degree dark and hateful, and that that mirror was his own work, the very imperfect work of human imagination and judgment. In[163] the first place a being capable of absolutely unegoistic conduct is as fabulous as the phoenix. Such a being is not even thinkable for the very reason that the whole notion of "unegoistic conduct," when closely examined, vanishes into air. Never yet has a man done anything solely for others and entirely without reference to a personal motive; indeed how could he possibly do anything that had no reference to himself, that is without inward compulsion (which must always have its basis in a personal need)? How could the ego act without ego?—A god, who, on the other hand, is all love, as he is usually represented, would not be capable of a solitary unegoistic act: whence one is reminded of a reflection of Lichtenberg's which is, in truth, taken from a lower sphere: "We cannot possibly feel for others, as the expression goes; we feel only for ourselves. The assertion sounds hard, but it is not, if rightly understood. A man loves neither his father nor his mother nor his wife nor his child, but simply the feelings which they inspire." Or, as La Rochefoucauld says: "If you think you love your mistress for the mere love of her, you are very much mistaken." Why acts of love are more highly prized than others, namely not on account of their nature, but on account of their utility, has already been explained in the section on the origin of moral feelings. But[164] if a man should wish to be all love like the god aforesaid, and want to do all things for others and nothing for himself, the procedure would be fundamentally impossible because he must do a great deal for himself before there would be any possibility of doing anything for the love of others. It is also essential that others be sufficiently egoistic to accept always and at all times this self sacrifice and living for others, so that the men of love and self sacrifice have an interest in the survival of unloving and selfish egoists, while the highest morality, in order to maintain itself must formally enforce the existence of immorality (wherein it would be really destroying itself.)—Further: the idea of a god perturbs and discourages as long as it is accepted but as to how it originated can no longer, in the present state of comparative ethnological science, be a matter of doubt, and with the insight into the origin of this belief all faith collapses. What happens to the Christian who compares his nature with that of God is exactly what happened to Don Quixote, who depreciated his own prowess because his head was filled with the wondrous deeds of the heroes of chivalrous romance. The standard of measurement which both employ belongs to the domain of fable.—But if the idea of God collapses, so too, does the feeling of "sin" as a violation of divine rescript, as a stain upon a[165] god-like creation. There still apparently remains that discouragement which is closely allied with fear of the punishment of worldly justice or of the contempt of one's fellow men. The keenest thorn in the sentiment of sin is dulled when it is perceived that one's acts have contravened human tradition, human rules and human laws without having thereby endangered the "eternal salvation of the soul" and its relations with deity. If finally men attain to the conviction of the absolute necessity of all acts and of their utter irresponsibility and then absorb it into their flesh and blood, every relic of conscience pangs will disappear.

134.

Ist nun der Christ, wie gesagt, durch einige Irrthümer in das Gefühl der Selbstverachtung gerathen, also durch eine falsche unwissenschaftliche Auslegung seiner Handlungen und Empfindungen, so muss er mit höchstem Erstaunen bemerken, wie jener Zustand der Verachtung, der Gewissensbisse, der Unlust überhaupt, nicht anhält, wie gelegentlich Stunden kommen, wo ihm dies Alles von der Seele weggeweht ist und er sich wieder frei und muthig fühlt. In Wahrheit hat die Lust an sich selber das Wohlbehagen an der eigenen Kraft, im Bunde mit der nothwendigen Abschwächung jeder tiefen Erregung, den Sieg davongetragen; der Mensch liebt sich wieder, er fühlt es, - aber gerade diese Liebe, diese neue Selbstschätzung, kommt ihm unglaublich vor, er kann in ihr allein das gänzlich unverdiente Herabströmen eines Gnadenglanzes von Oben sehen. Wenn er früher in allen Begebnissen Warnungen, Drohungen, Strafen und jede Art von Anzeichen des göttlichen Zornes zu erblicken glaubte, so deutet er jetzt in seine Erfahrungen die göttliche Güte hinein: diess Ereigniss kommt ihm liebevoll, jenes wie ein hülfreicher Fingerzeig, ein drittes und namentlich seine ganze freudige Stimmung als Beweis vor, dass Gott gnädig sei. Wie er früher im Zustande des Unmuthes namentlich seine Handlungen falsch ausdeutete, so jetzt namentlich seine Erlebnisse; die getröstete Stimmung fasst er als Wirkung einer ausser ihm waltenden Macht auf, die Liebe, mit der er sich im Grunde selbst liebt, erscheint als göttliche Liebe; Das, was er Gnade und Vorspiel der Erlösung nennt, ist in Wahrheit Selbstbegnadigung, Selbsterlösung.

If now, as stated, the Christian, through certain delusive feelings, is betrayed into self contempt, that is by a false and unscientific view of his acts and feelings, he must, nevertheless, perceive with the utmost amazement that this state of self contempt, of conscience pangs, of despair in particular, does not last, that there are hours during which all these things are wafted away from the soul and he feels himself once more free and courageous. The truth is that joy in his own being, the fulness of his own powers in connection with the inevitable decline of his profound[166] excitation with the lapse of time, bore off the palm of victory. The man loves himself once more, he feels it—but this very new love, this new self esteem seems to him incredible. He can see in it only the wholly unmerited stream of the light of grace shed down upon him. If he formerly saw in every event merely warnings, threats, punishments and every kind of indication of divine anger, he now reads into his experiences the grace of god. The latter circumstance seems to him full of love, the former as a helpful pointing of the way, and his entirely joyful frame of mind now seems to him to be an absolute proof of the goodness of God. As formerly in his states of discouragement he interpreted his conduct falsely so now he does the same with his experiences. His state of consolation is now regarded as the effect produced by some external power. The love with which, at bottom, he loves himself, seems to be the divine love. That which he calls grace and the preliminary of salvation is in reality self-grace, self-salvation.

135.

Also: eine bestimmte falsche Psychologie, eine gewisse Art von Phantastik in der Ausdeutung der Motive und Erlebnisse ist die nothwendige Voraussetzung davon, dass Einer zum Christen werde und das Bedürfniss der Erlösung empfinde. Mit der Einsicht in diese Verirrung der Vernunft und Phantasie hört man auf, Christ zu sein.

Therefore a certain false psychology, a certain kind of imaginativeness in the interpretation of motives and experiences is the essential preliminary[167] to being a Christian and to experiencing the need of salvation. Upon gaining an insight into this wandering of the reason and the imagination, one ceases to be a Christian.

136.

Von der christlichen Askese und Heiligkeit. - So sehr einzelne Denker sich bemüht haben, in den seltenen Erscheinungen der Moralität, welche man Askese und Heiligkeit zu nennen pflegt, ein Wunderding hinzustellen, dem die Leuchte einer vernünftigen Erklärung in's Gesicht zu halten, beinahe schon Frevel und Entweihung sei: so stark ist hinwiederum die Verführung zu diesem Frevel. Ein mächtiger Antrieb der Natur hat zu allen Zeiten dazu geführt, gegen jene Erscheinungen überhaupt zu protestiren; die Wissenschaft, insofern sie, wie früher gesagt, eine Nachahmung der Natur ist, erlaubt sich wenigstens gegen die behauptete Unerklärbarkeit, ja Unnahbarkeit derselben Einsprache zu erheben. Freilich gelang es ihr bis jetzt nicht: jene Erscheinungen sind immer noch unerklärt, zum grossen Vergnügen der erwähnten Verehrer des moralisch-Wunderbaren. Denn, allgemein gesprochen: das Unerklärte soll durchaus unerklärlich, das Unerklärliche durchaus unnatürlich, übernatürlich, wunderhaft sein, - so lautet die Forderung in den Seelen aller Religiösen und Metaphysiker (auch der Künstler, falls sie zugleich Denker sind); während der wissenschaftliche Mensch in dieser Forderung das "böse Princip" sieht. - Die allgemeine erste Wahrscheinlichkeit, auf welche man bei Betrachtung der Askese und Heiligkeit zuerst geräth, ist diese, dass ihre Natur eine complicirte ist: denn fast überall, innerhalb der physischen Welt sowohl wie in der moralischen, hat man mit Glück das angeblich Wunderbare auf das Complicirte und mehrfach Bedingte zurückgeführt. Wagen wir es also, einzelne Antriebe in der Seele der Heiligen und Asketen zunächst zu isoliren und zum Schluss sie in einander uns verwachsen zu denken.

Of Christian Asceticism and Sanctity.—Much as some thinkers have exerted themselves to impart an air of the miraculous to those singular phenomena known as asceticism and sanctity, to question which or to account for which upon a rational basis would be wickedness and sacrilege, the temptation to this wickedness is none the less great. A powerful impulse of nature has in every age led to protest against such phenomena. At any rate science, inasmuch as it is the imitation of nature, permits the casting of doubts upon the inexplicable character and the supernal degree of such phenomena. It is true that heretofore science has not succeeded in its attempts at explanation. The phenomena remain unexplained still, to the great satisfaction of those who revere moral miracles. For, speaking generally, the unexplained must rank as the inexplicable, the inexplicable as the non-natural, supernatural, miraculous—so runs the demand in the souls of all the religious and all the metaphysicians (even the artists if they happen to be[168] thinkers), whereas the scientific man sees in this demand the "evil principle."—The universal, first, apparent truth that is encountered in the contemplation of sanctity and asceticism is that their nature is complicated; for nearly always, within the physical world as well as in the moral, the apparently miraculous may be traced successfully to the complex, the obscure, the multi-conditioned. Let us venture then to isolate a few impulses in the soul of the saint and the ascetic, to consider them separately and then view them as a synthetic development.

137.

Es giebt einen Trotz gegen sich selbst, zu dessen sublimirtesten Aeusserungen manche Formen der Askese gehören. Gewisse Menschen haben nämlich ein so hohes Bedürfniss, ihre Gewalt und Herrschsucht auszuüben, dass sie, in Ermangelung anderer Objecte, oder, weil es ihnen sonst immer misslungen ist, endlich darauf verfallen, gewisse Theile ihres eigenen Wesens, gleichsam Ausschnitte oder Stufen ihrer selbst, zu tyrannisiren. So bekennt sich mancher Denker zu Ansichten, welche ersichtlich nicht dazu dienen, seinen Ruf zu vermehren oder zu verbessern; mancher beschwört förmlich die Missachtung Anderer auf sich herab, während er es leicht hätte, durch Stillschweigen ein geachteter Mann zu bleiben; andere widerrufen frühere Meinungen und scheuen es nicht, fürderhin inconsequent genannt zu werden: im Gegentheil, sie bemühen sich darum und benehmen sich wie übermüthige Reiter, welche das Pferd, erst wenn es wild geworden, mit Schweiss bedeckt, scheu gemacht ist, am liebsten mögen. So steigt der Mensch auf gefährlichen Wegen in die höchsten Gebirge, um über seine Aengstlichkeit und seine schlotternden Kniee Hohn zu lachen; so bekennt sich der Philosoph zu Ansichten der Askese, Demuth und Heiligkeit, in deren Glanze sein eigenes Bild auf das ärgste verhässlicht wird. Dieses Zerbrechen seiner selbst, dieser Spott über die eigene Natur, dieses spernere se sperni, aus dem die Religionen so viel gemacht haben, ist eigentlich ein sehr hoher Grad der Eitelkeit. Die ganze Moral der Bergpredigt gehört hierher: der Mensch hat eine wahre Wollust darin, sich durch übertriebene Ansprüche zu vergewaltigen und dieses tyrannisch fordernde Etwas in seiner Seele nachher zu vergöttern. In jeder asketischen Moral betet der Mensch einen Theil von sich als Gott an und hat dazu nöthig, den übrigen Theil zu diabolisiren. -

There is an obstinacy against oneself, certain sublimated forms of which are included in asceticism. Certain kinds of men are under such a strong necessity of exercising their power and dominating impulses that, if other objects are lacking or if they have not succeeded with other objects they will actually tyrannize over some portions of their own nature or over sections and stages of their own personality. Thus do many thinkers bring themselves to views which are far from likely to increase or improve their fame. Many deliberately bring down the contempt of others upon themselves although they could easily have retained consideration by[169] silence. Others contradict earlier opinions and do not shrink from the ordeal of being deemed inconsistent. On the contrary they strive for this and act like eager riders who enjoy horseback exercise most when the horse is skittish. Thus will men in dangerous paths ascend to the highest steeps in order to laugh to scorn their own fear and their own trembling limbs. Thus will the philosopher embrace the dogmas of asceticism, humility, sanctity, in the light of which his own image appears in its most hideous aspect. This crushing of self, this mockery of one's own nature, this spernere se sperni out of which religions have made so much is in reality but a very high development of vanity. The whole ethic of the sermon on the mount belongs in this category: man has a true delight in mastering himself through exaggerated pretensions or excessive expedients and later deifying this tyrannically exacting something within him. In every scheme of ascetic ethics, man prays to one part of himself as if it were god and hence it is necessary for him to treat the rest of himself as devil.

138.

Der Mensch ist nicht zu allen Stunden gleich moralisch, diess ist bekannt: beurtheilt man seine Moralität nach der Fähigkeit zu grosser aufopfernder Entschliessung und Selbstverleugnung (welche, dauernd und zur Gewohnheit geworden, Heiligkeit ist), so ist er im Affect am moralischsten; die höhere Erregung reicht ihm ganz neue Motive dar, welcher er, nüchtern und kalt wie sonst, vielleicht nicht einmal fähig zu sein glaubte. Wie kommt diess? Wahrscheinlich aus der Nachbarschaft alles Grossen und hoch Erregenden; ist der Mensch einmal in eine ausserordentliche Spannung gebracht, so kann er ebensowohl zu einer furchtbaren Rache, als zu einer furchtbaren Brechung seines Rachebedürfnisses sich entschliessen. Er will, unter dem Einflusse der gewaltigen Emotion, jedenfalls das Grosse, Gewaltige, Ungeheure, und wenn er zufällig merkt, dass ihm die Aufopferung seiner selbst ebenso oder noch mehr genugthut, als die Opferung des Anderen, so wählt er sie. Eigentlich liegt ihm also nur an der Entladung seiner Emotion; da fasst er wohl, um seine Spannung zu erleichtern, die Speere der Feinde zusammen und begräbt sie in seine Brust. Dass in der Selbstverleugnung, und nicht nur in der Rache, etwas Grosses liege, musste der Menschheit erst in langer Gewöhnung anerzogen werden; eine Gottheit, welche sich selbst opfert, war das stärkste und wirkungsvollste Symbol dieser Art von Grösse. Als die Besiegung des schwerst zu besiegenden Feindes, die plötzliche Bemeisterung eines Affectes, - als Diess erscheint diese Verleugnung; und insofern gilt sie als der Gipfel des Moralischen. In Wahrheit handelt es sich bei ihr um die Vertauschung der einen Vorstellung mit der andern, während das Gemüth seine gleiche Höhe, seinen gleichen Fluthstand, behält. Ernüchterte, vom Affect ausruhende Menschen verstehen die Moralität jener Augenblicke nicht mehr, aber die Bewunderung Aller, die jene miterlebten, hält sie aufrecht; der Stolz ist ihr Trost, wenn der Affect und das Verständniss ihrer That weicht. Also: im Grunde sind auch jene Handlungen der Selbstverleugnung nicht moralisch, insofern sie nicht streng in Hinsicht auf Andere gethan sind; vielmehr giebt der Andere dem hochgespannten Gemüthe nur eine Gelegenheit, sich zu erleichtern, durch jene Verleugnung.

Man is Not at All Hours Equally Moral; this is established. If one's morality be judged according to one's capacity for great, self sacrificing[170] resolutions and abnegations (which when continual, and made a habit are known as sanctity) one is, in affection, or disposition, the most moral: while higher excitement supplies wholly new impulses which, were one calm and cool as ordinarily, one would not deem oneself even capable of. How comes this? Apparently from the propinquity of all great and lofty emotional states. If a man is brought to an extraordinary pitch of feeling he can resolve upon a fearful revenge or upon a fearful renunciation of his thirst for vengeance indifferently. He craves, under the influences of powerful emotion, the great, the powerful, the immense, and if he chances to perceive that the sacrifice of himself will afford him as much satisfaction as the sacrifice of another, or will afford him more, he will choose self sacrifice. What concerns him particularly is simply the unloading of his emotion. Hence he readily, to relieve his tension, grasps the darts of the enemy and buries them in his own breast. That in self abnegation and not in revenge the element of greatness consisted must have been brought home to mankind only after long habituation. A god who sacrifices himself would be the most powerful and most effective symbol of this sort of greatness. As the conquest of the most hardly conquered enemy, the sudden mastering of a passion—thus does[171] such abnegation appear: hence it passes for the summit of morality. In reality all that is involved is the exchange of one idea for another whilst the temperament remained at a like altitude, a like tidal state. Men when coming out of the spell, or resting from such passionate excitation, no longer understand the morality of such instants, but the admiration of all who participated in the occasion sustains them. Pride is their support if the passion and the comprehension of their act weaken. Therefore, at bottom even such acts of self-abnegation are not moral inasmuch as they are not done with a strict regard for others. Rather do others afford the high strung temperament an opportunity to lighten itself through such abnegation.

139.

In mancher Hinsicht sucht sich auch der Asket das Leben leicht zu machen, und zwar gewöhnlich durch die vollkommene Unterordnung unter einen fremden Willen oder unter ein umfängliches Gesetz und Ritual; etwa in der Art, wie der Brahmane durchaus Nichts seiner eigenen Bestimmung überlässt und sich in jeder Minute durch eine heilige Vorschrift bestimmt. Diese Unterordnung ist ein mächtiges Mittel, um über sich Herr zu werden; man ist beschäftigt, also ohne Langeweile, und hat doch keine Anregung des Eigenwillens und der Leidenschaft dabei; nach vollbrachter That fehlt das Gefühl der Verantwortung und damit die Qual der Reue. Man hat ein für alle Mal auf eigenen Willen verzichtet, und diess ist leichter, als nur gelegentlich einmal zu verzichten; sowie es auch leichter ist, einer Begierde ganz zu entsagen, als in ihr Maass zu halten. Wenn wir uns der jetzigen Stellung des Mannes zum Staate erinnern, so finden wir auch da, dass der unbedingte Gehorsam bequemer ist, als der bedingte. Der Heilige also erleichtert sich durch jenes völlige Aufgeben der Persönlichkeit sein Leben, und man täuscht sich, wenn man in jenem Phänomen das höchste Heldenstück der Moralität bewundert. Es ist in jedem Falle schwerer, seine Persönlichkeit ohne Schwanken und Unklarheit durchzusetzen, als sich von ihr in der erwähnten Weise zu lösen; überdiess verlangt es viel mehr Geist und Nachdenken.

Even the Ascetic Seeks to Make Life Easier, and generally by means of absolute subjection to another will or to an all inclusive rule and ritual, pretty much as the Brahmin leaves absolutely nothing to his own volition but is guided in every moment of his life by some holy injunction or other. This subjection is a potent means of acquiring dominion over oneself. One is occupied, hence time does not bang heavy and there is no incitement of the personal will and of the individual[172] passion. The deed once done there is no feeling of responsibility nor the sting of regret. One has given up one's own will once for all and this is easier than to give it up occasionally, as it is also easier wholly to renounce a desire than to yield to it in measured degree. When we consider the present relation of man to the state we perceive unconditional obedience is easier than conditional. The holy person also makes his lot easier through the complete surrender of his life personality and it is all delusion to admire such a phenomenon as the loftiest heroism of morality. It is always more difficult to assert one's personality without shrinking and without hesitation than to give it up altogether in the manner indicated, and it requires moreover more intellect and thought.

140.

Nachdem ich, in vielen der schwerer erklärbaren Handlungen, Aeusserungen jener Lust an der Emotion an sich gefunden habe, möchte ich auch in Betreff der Selbstverachtung, welche zu den Merkmalen der Heiligkeit gehört, und ebenso in den Handlungen der Selbstquälerei (durch Hunger und Geisselschläge, Verrenkungen der Glieder, Erheuchelung des Wahnsinns) ein Mittel erkennen, durch welches jene Naturen gegen die allgemeine Ermüdung ihres Lebenswillens (ihrer Nerven) ankämpfen: sie bedienen sich der schmerzhaftesten Reizmittel und Grausamkeiten, um für Zeiten wenigstens aus jener Dumpfheit und Langenweile aufzutauchen, in welche ihre grosse geistige Indolenz und jene geschilderte Unterordnung unter einen fremden Willen sie so häufig verfallen lässt.

After having discovered in many of the less comprehensible actions mere manifestations of pleasure in emotion for its own sake, I fancy I can detect in the self contempt which characterises holy persons, and also in their acts of self torture (through hunger and scourgings, distortions and chaining of the limbs, acts of madness) simply a means whereby such natures may resist the general exhaustion of their will to live (their[173] nerves). They employ the most painful expedients to escape if only for a time from the heaviness and weariness in which they are steeped by their great mental indolence and their subjection to a will other than their own.

141.

Das gewöhnlichste Mittel, welches der Asket und Heilige anwendet, um sich das Leben doch noch erträglich und unterhaltend zu machen, besteht in gelegentlichem Kriegführen und in dem Wechsel von Sieg und Niederlage. Dazu braucht er einen Gegner und findet ihn in dem sogenannten "inneren Feinde". Namentlich nützt er seinen Hang zur Eitelkeit, Ehr- und Herrschsucht, sodann seine sinnlichen Begierden aus, um sein Leben wie eine fortgesetzte Schlacht und sich wie ein Schlachtfeld ansehen zu dürfen, auf dem gute und böse Geister mit wechselndem Erfolge ringen. Bekanntlich wird die sinnliche Phantasie durch die Regelmässigkeit des geschlechtlichen Verkehrs gemässigt, ja fast unterdrückt, umgekehrt, durch Enthaltsamkeit oder Unordnung im Verkehre entfesselt und wüst. Die Phantasie vieler christlichen Heiligen war in ungewöhnlichem Maasse schmutzig; vermöge jener Theorie, dass diese Begierden wirkliche Dämonen seien, die in ihnen wütheten, fühlten sie sich nicht allzusehr verantwortlich dabei; diesem Gefühle verdanken wir die so belehrende Aufrichtigkeit ihrer Selbstzeugnisse. Es war in ihrem Interesse, dass dieser Kampf in irgend einem Grade immer unterhalten wurde, weil durch ihn, wie gesagt, ihr ödes Leben unterhalten wurde. Damit der Kampf aber wichtig genug erscheine, um andauernde Theilnahme und Bewunderung bei den Nicht-Heiligen zu erregen, musste die Sinnlichkeit immer mehr verketzert und gebrandmarkt werden, ja die Gefahr ewiger Verdammnis wurde so eng an diese Dinge geknüpft, dass höchstwahrscheinlich durch ganze Zeitalter hindurch die Christen mit bösem Gewissen Kinder zeugten; wodurch gewiss der Menschheit ein grosser Schade angethan worden ist. Und doch steht hier die Wahrheit ganz auf dem Kopfe: was für die Wahrheit besonders unschicklich ist. Zwar hatte das Christenthum gesagt: jeder Mensch sei in Sünden empfangen und geboren, und im unausstehlichen Superlativ-Christenthume des Calderon hatte sich dieser Gedanke noch einmal zusammengeknotet und verschlungen, so dass er die verdrehteste Paradoxie wagte, die es giebt, in dem bekannten Verse:

die grösste Schuld des Menschen ist, dass er geboren ward.

In allen pessimistischen Religionen wird der Zeugungsact als schlecht an sich empfunden, aber keineswegs ist diese Empfindung eine allgemein-menschliche; selbst nicht einmal das Urtheil aller Pessimisten ist sich hierin gleich. Empedokles zum Beispiel weiss gar Nichts vom Beschämenden, Teuflischen, Sündhaften in allen erotischen Dingen; er sieht vielmehr auf der grossen Wiese des Unheils eine einzige heil- und hoffnungsvolle Erscheinung, die Aphrodite; sie gilt ihm als Bürgschaft, dass der Streit nicht ewig herrschen, sondern einem milderen Dämon einmal das Scepter überreichen werde. Die christlichen Pessimisten der Praxis hatten, wie gesagt, ein Interesse daran, dass eine andere Meinung in der Herrschaft blieb; sie brauchten für die Einsamkeit und die geistige Wüstenei ihres Lebens einen immer lebendigen Feind: und einen allgemein anerkannten Feind, durch dessen Bekämpfung und Ueberwältigung sie dem Nicht-Heiligen sich immer von Neuem wieder als halb unbegreifliche, übernatürliche Wesen darstellten. Wenn dieser Feind endlich, in Folge ihrer Lebensweise und ihrer zerstörten Gesundheit, die Flucht für immer ergriff, so verstanden sie es sofort, ihr Inneres mit neuen Dämonen bevölkert zu sehen. Das Auf- und Niederschwanken der Wagschalen Hochmuth und Demuth unterhielt ihre grübelnden Köpfe so gut, wie der Wechsel von Begierde und Seelenruhe. Damals diente die Psychologie dazu, alles Menschliche nicht nur zu verdächtigen, sondern zu lästern, zu geisseln, zu kreuzigen; man wollte sich möglichst schlecht und böse finden, man suchte die Angst um das Heil der Seele, die Verzweiflung an der eignen Kraft. Alles Natürliche, an welches der Mensch die Vorstellung des Schlechten, Sündhaften anhängt (wie er es zum Beispiel noch jetzt in Betreff des Erotischen gewöhnt ist), belästigt, verdüstert die Phantasie, giebt einen scheuen Blick, lässt den Menschen mit sich selber hadern und macht ihn unsicher und vertrauenslos; selbst seine Träume bekommen einen Beigeschmack des gequälten Gewissens. Und doch ist dieses Leiden am Natürlichen in der Realität der Dinge völlig unbegründet: es ist nur die Folge von Meinungen über die Dinge. Man erkennt leicht, wie die Menschen dadurch schlechter werden, dass sie das unvermeidlich-Natürliche als schlecht bezeichnen und später immer als so beschaffen empfinden. Es ist der Kunstgriff der Religion und jener Metaphysiker, welche den Menschen als böse und sündhaft von Natur wollen, ihm die Natur zu verdächtigen und so ihn selber schlecht zu machen: denn so lernt er sich als schlecht empfinden, da er das Kleid der Natur nicht ausziehen kann. Allmählich fühlt er sich, bei einem langen Leben im Natürlichen, von einer solchen Last von Sünden bedrückt, dass übernatürliche Mächte nöthig werden, um diese Last heben zu können; und damit ist das schon besprochene Erlösungsbedürfniss auf den Schauplatz getreten, welches gar keiner wirklichen, sondern nur einer eingebildeten Sündhaftigkeit entspricht. Man gehe die einzelnen moralischen Aufstellungen der Urkunden des Christenthums durch und man wird überall finden, dass die Anforderungen überspannt sind, damit der Mensch ihnen nicht genügen könne; die Absicht ist nicht, dass er moralischer werde, sondern dass er sich möglichst sündhaft fühle. Wenn dem Menschen diess Gefühl nicht angenehm gewesen wäre, - wozu hätte er eine solche Vorstellung erzeugt und sich so lange an sie gehängt? Wie in der antiken Welt eine unermessliche Kraft von Geist und Erfindungsgabe verwendet worden ist, um die Freude am Leben durch festliche Culte zu mehren: so ist in der Zeit des Christenthums ebenfalls unermesslich viel Geist einem andern Streben geopfert worden: der Mensch sollte auf alle Weise sich sündhaft fühlen und dadurch überhaupt erregt, belebt, beseelt werden. Erregen, beleben, beseelen, um jeden Preis - ist das nicht das Losungswort einer erschlafften, überreifen, übercultivirten Zeit? Der Kreis aller natürlichen Empfindungen war hundertmal durchlaufen, die Seele war ihrer müde geworden: da erfanden der Heilige und der Asket eine neue Gattung von Lebensreizen. Sie stellten sich vor Aller Augen hin, nicht eigentlich zur Nachahmung für Viele, sondern als schauderhaftes und doch entzückendes Schauspiel, welches an jenen Gränzen zwischen Welt und Ueberwelt aufgeführt wurde, wo Jedermann damals bald himmlische Lichtblicke, bald unheimliche, aus der Tiefe lodernde Flammenzungen zu erblicken glaubte. Das Auge des Heiligen, hingerichtet auf die in jedem Betracht furchtbare Bedeutung des kurzen Erdenlebens, auf die Nähe der letzten Entscheidung über endlose neue Lebensstrecken, diess verkohlende Auge, in einem halb vernichteten Leibe, machte die Menschen der alten Welt bis in alle Tiefen erzittern; hinblicken, schaudernd wegblicken, von Neuem den Reiz des Schauspiels spüren, ihm nachgeben, sich an ihm ersättigen, bis die Seele in Gluth und Fieberfrost erbebt, - das war die letzte Lust, welche das Alterthum erfand, nachdem es selbst gegen den Anblick von Thier- und Menschenkämpfen stumpf geworden war.

The Most Usual Means by which the ascetic and the sanctified individual seeks to make life more endurable comprises certain combats of an inner nature involving alternations of victory and prostration. For this purpose an enemy is necessary and he is found in the so called "inner enemy." That is, the holy individual makes use of his tendency to vanity, domineering and pride, and of his mental longings in order to contemplate his life as a sort of continuous battle and himself as a battlefield, in which good and evil spirits wage war with varying fortune. It is an established fact that the imagination is restrained through the regularity and adequacy of sexual intercourse while on the other hand abstention from or great irregularity in sexual intercourse will cause the imagination to run riot. The imaginations of many of the Christian saints were obscene to a degree; and because of the theory that sexual desires were in reality demons that raged within them, the saints did not feel wholly[174] responsible for them. It is to this conviction that we are indebted for the highly instructive sincerity of their evidence against themselves. It was to their interest that this contest should always be kept up in some fashion because by means of this contest, as already stated, their empty lives gained distraction. In order that the contest might seem sufficiently great to inspire sympathy and admiration in the unsanctified, it was essential that sexual capacity be ever more and more damned and denounced. Indeed the danger of eternal damnation was so closely allied to this capacity that for whole generations Christians showed their children with actual conscience pangs. What evil may not have been done to humanity through this! And yet here the truth is just upside down: an exceedingly unseemly attitude for the truth. Christianity, it is true, had said that every man is conceived and born in sin, and in the intolerable and excessive Christianity of Calderon this thought is again perverted and entangled into the most distorted paradox extant in the well known lines

The greatest sin of man
Is the sin of being born.

In all pessimistic religions the act of procreation is looked upon as evil in itself. This is far from being the general human opinion. It is not even the opinion of all pessimists. Empedocles,[175] for example, knows nothing of anything shameful, devilish and sinful in it. He sees rather in the great field of bliss of unholiness simply a healthful and hopeful phenomenon, Aphrodite. She is to him an evidence that strife does not always rage but that some time a gentle demon is to wield the sceptre. The Christian pessimists of practice, had, as stated, a direct interest in the prevalence of an opposite belief. They needed in the loneliness and the spiritual wilderness of their lives an ever living enemy, and a universally known enemy through whose conquest they might appear to the unsanctified as utterly incomprehensible and half unnatural beings. When this enemy at last, as a result of their mode of life and their shattered health, took flight forever, they were able immediately to people their inner selves with new demons. The rise and fall of the balance of cheerfulness and despair maintained their addled brains in a totally new fluctuation of longing and peace of soul. And in that period psychology served not only to cast suspicion on everything human but to wound and scourge it, to crucify it. Man wanted to find himself as base and evil as possible. Man sought to become anxious about the state of his soul, he wished to be doubtful of his own capacity. Everything natural with which man connects the idea of badness and sinfulness (as, for instance,[176] is still customary in regard to the erotic) injures and degrades the imagination, occasions a shamed aspect, leads man to war upon himself and makes him uncertain, distrustful of himself. Even his dreams acquire a tincture of the unclean conscience. And yet this suffering because of the natural element in certain things is wholly superfluous. It is simply the result of opinions regarding the things. It is easy to understand why men become worse than they are if they are brought to look upon the unavoidably natural as bad and later to feel it as of evil origin. It is the master stroke of religions and metaphysics that wish to make man out bad and sinful by nature, to render nature suspicious in his eyes and to so make himself evil, for he learns to feel himself evil when he cannot divest himself of nature. He gradually comes to look upon himself, after a long life lived naturally, so oppressed by a weight of sin that supernatural powers become necessary to relieve him of the burden; and with this notion comes the so called need of salvation, which is the result not of a real but of an imaginary sinfulness. Go through the separate moral expositions in the vouchers of christianity and it will always be found that the demands are excessive in order that it may be impossible for man to satisfy them. The object is not that he may become moral but that he may feel as sinful[177] as possible. If this feeling had not been rendered agreeable to man—why should he have improvised such an ideal and clung to it so long? As in the ancient world an incalculable strength of intellect and capacity for feeling was squandered in order to increase the joy of living through feastful systems of worship, so in the era of christianity an equally incalculable quantity of intellectual capacity has been sacrificed in another endeavor: that man should in every way feel himself sinful and thereby be moved, inspired, inspirited. To move, to inspire, to inspirit at any cost—is not this the freedom cry of an exhausted, over-ripe, over cultivated age? The circle of all the natural sensations had been gone through a hundred times: the soul had grown weary. Then the saints and the ascetics found a new order of ecstacies. They set themselves before the eyes of all not alone as models for imitation to many, but as fearful and yet delightful spectacles on the boundary line between this world and the next world, where in that period everyone thought he saw at one time rays of heavenly light, at another fearful, threatening tongues of flame. The eye of the saint, directed upon the fearful significance of the shortness of earthly life, upon the imminence of the last judgment, upon eternal life hereafter; this glowering eye in an emaciated body caused men, in[178] the old time world, to tremble to the depths of their being. To look, to look away and shudder, to feel anew the fascination of the spectacle, to yield to it, sate oneself upon it until the soul trembled with ardor and fever—that was the last pleasure left to classical antiquity when its sensibilities had been blunted by the arena and the gladiatorial show.

142.

Um das Gesagte zusammenzufassen: jener Seelenzustand, dessen sich der Heilige oder Heiligwerdende erfreut, setzt sich aus Elementen zusammen, welche wir Alle recht wohl kennen, nur dass sie sich unter dem Einfluss anderer als religiöser Vorstellungen anders gefärbt zeigen und dann den Tadel der Menschen ebenso stark zu erfahren pflegen, wie sie, in jener Verbrämung mit Religion und letzter Bedeutsamkeit des Daseins, auf Bewunderung, ja Anbetung rechnen dürfen, - mindestens in früheren Zeiten rechnen durften. Bald übt der Heilige jenen Trotz gegen sich selbst, der ein naher Verwandter der Herrschsucht ist und auch dem Einsamsten noch das Gefühl der Macht giebt; bald springt seine angeschwellte Empfindung aus dem Verlangen, seine Leidenschaften dahinschiessen zu lassen, über in das Verlangen, sie wie wilde Rosse zusammenstürzen zu machen, unter dem mächtigen Druck einer stolzen Seele; bald will er ein völliges Aufhören aller störenden, quälenden, reizenden Empfindungen, einen wachen Schlaf, ein dauerndes Ausruhen im Schoosse einer dumpfen, thier- und pflanzenhaften Indolenz; bald sucht er den Kampf und entzündet ihn in sich, weil ihm die Langeweile ihr gähnendes Gesicht entgegenhält: er geisselt seine Selbstvergötterung mit Selbstverachtung und Grausamkeit, er freut sich an dem wilden Aufruhre seiner Begierden, an dem scharfen Schmerz der Sünde, ja an der Vorstellung des Verlorenseins, er versteht es, seinem Affect, zum Beispiel dem der äussersten Herrschsucht, einen Fallstrick zu legen, so dass er in den der äussersten Erniedrigung übergeht und seine aufgehetzte Seele durch diesen Contrast aus allen Fugen gerissen wird; und zuletzt: wenn es ihn gar nach Visionen, Gesprächen mit Todten oder göttlichen Wesen gelüstet, so ist es im Grunde eine seltene Art von Wollust, welche er begehrt, aber vielleicht jene Wollust, in der alle anderen in einen Knoten zusammengeschlungen sind. Novalis, eine der Autoritäten in Fragen der Heiligkeit durch Erfahrung und Instinct, spricht das ganze Geheimniss einmal mit naiver Freude aus: "Es ist wunderbar genug, dass nicht längst die Association von Wollust, Religion und Grausamkeit die Menschen aufmerksam auf ihre innige Verwandtschaft und gemeinschaftliche Tendenz gemacht hat."

To Sum Up All That Has Been Said: that condition of soul at which the saint or expectant saint is rejoiced is a combination of elements which we are all familiar with, except that under other influences than those of mere religious ideation they customarily arouse the censure of men in the same way that when combined with religion itself and regarded as the supreme attainment of sanctity, they are object of admiration and even of prayer—at least in more simple times. Very soon the saint turns upon himself that severity that is so closely allied to the instinct of domination at any price and which inspire even in the most solitary individual the sense of power. Soon his swollen sensitiveness of feeling breaks forth from the longing to restrain his passions within it and is transformed[179] into a longing to master them as if they were wild steeds, the master impulse being ever that of a proud spirit; next he craves a complete cessation of all perturbing, fascinating feelings, a waking sleep, an enduring repose in the lap of a dull, animal, plant-like indolence. Next he seeks the battle and extinguishes it within himself because weariness and boredom confront him. He binds his self-deification with self-contempt. He delights in the wild tumult of his desires and the sharp pain of sin, in the very idea of being lost. He is able to play his very passions, for instance the desire to domineer, a trick so that he goes to the other extreme of abject humiliation and subjection, so that his overwrought soul is without any restraint through this antithesis. And, finally, when indulgence in visions, in talks with the dead or with divine beings overcomes him, this is really but a form of gratification that he craves, perhaps a form of gratification in which all other gratifications are blended. Novalis, one of the authorities in matters of sanctity, because of his experience and instinct, betrays the whole secret with the utmost simplicity when he says: "It is remarkable that the close connection of gratification, religion and cruelty has not long ago made men aware of their inner relationship and common tendency."

[180]

143.

Nicht Das, was der Heilige ist, sondern Das, was er in den Augen der Nicht-Heiligen bedeutet, giebt ihm seinen welthistorischen Werth. Dadurch, dass man sich über ihn irrte, dass man seine Seelenzustände falsch auslegte und ihn von sich so stark als möglich abtrennte, als etwas durchaus Unvergleichliches und fremdartig-Uebermenschliches: dadurch gewann er die ausserordentliche Kraft, mit welcher er die Phantasie ganzer Völker, ganzer Zeiten beherrschen konnte. Er selbst kannte sich nicht; er selbst verstand die Schriftzüge seiner Stimmungen, Neigungen, Handlungen nach einer Kunst der Interpretation, welche ebenso überspannt und künstlich war, wie die pneumatische Interpretation der Bibel. Das Verschrobene und Kranke in seiner Natur, mit ihrer Zusammenkoppelung von geistiger Armuth, schlechtem Wissen, verdorbener Gesundheit, überreizten Nerven, blieb seinem Blick ebenso wie dem seiner Beschauer verborgen. Er war kein besonders guter Mensch, noch weniger ein besonders weiser Mensch: aber er bedeutete Etwas, das über menschliches Maass in Güte und Weisheit hinausreiche. Der Glaube an ihn unterstützte den Glauben an Göttliches und Wunderhaftes, an einen religiösen Sinn alles Daseins, an einen bevorstehenden letzten Tag des Gerichtes. In dem abendlichen Glanze einer Weltuntergangs-Sonne, welche über die christlichen Völker hinleuchtete, wuchs die Schattengestalt des Heiligen in's Ungeheure: ja bis zu einer solchen Höhe, dass selbst in unserer Zeit, die nicht mehr an Gott glaubt, es noch genug Denker giebt, welche an den Heiligen glauben.

Not What the Saint is but what he was in the eyes of the non-sanctified gives him his historical importance. Because there existed a delusion respecting the saint, his soul states being falsely viewed and his personality being sundered as much as possible from humanity as a something incomparable and supernatural, because of these things he attained the extraordinary with which he swayed the imaginations of whole nations and whole ages. Even he knew himself not for even he regarded his dispositions, passions and actions in accordance with a system of interpretation as artificial and exaggerated as the pneumatic interpretation of the bible. The distorted and diseased in his own nature with its blending of spiritual poverty, defective knowledge, ruined health, overwrought nerves, remained as hidden from his view as from the view of his beholders. He was neither a particularly good man nor a particularly bad man but he stood for something that was far above the human standard in wisdom and goodness. Faith in him sustained faith in the divine and miraculous, in a religious significance of all existence, in an impending day of judgment. In the last rays of the setting sun of the ancient world, which fell upon the christian peoples, the shadowy[181] form of the saint attained enormous proportions—to such enormous proportions, indeed, that down even to our own age, which no longer believes in god, there are thinkers who believe in the saints.

144.

Es versteht sich von selbst, dass dieser Zeichnung des Heiligen, welche nach dem Durchschnitt der ganzen Gattung entworfen ist, manche Zeichnung entgegengestellt werden kann, welche eine angenehmere Empfindung hervorbringen möchte. Einzelne Ausnahmen jener Gattung heben sich heraus, sei es durch grosse Milde und Menschenfreundlichkeit, sei es durch den Zauber ungewöhnlicher Thatkraft; andere sind im höchsten Grade anziehend, weil bestimmte Wahnvorstellungen über ihr ganzes Wesen Lichtströme ausgiessen: wie es zum Beispiel mit dem berühmten Stifter des Christenthums der Fall ist, der sich für den eingeborenen Sohn Gottes hielt und desshalb sich sündlos fühlte; so dass er durch eine Einbildung - die man nicht zu hart beurtheilen möge, weil das ganze Alterthum von Göttersöhnen wimmelt - das selbe Ziel erreichte, das Gefühl völliger Sündlosigkeit, völliger Unverantwortlichkeit, welches jetzt durch die Wissenschaft Jedermann sich erwerben kann. - Ebenfalls habe ich abgesehen von den indischen Heiligen, welche auf einer Zwischenstufe zwischen dem christlichen Heiligen und dem griechischen Philosophen stehen und insofern keinen reinen Typus darstellen: die Erkenntniss, die Wissenschaft - soweit es eine solche gab -, die Erhebung über die anderen Menschen durch die logische Zucht und Schulung des Denkens wurde bei den Buddhaisten als ein Kennzeichen der Heiligkeit ebenso gefordert, wie die selben Eigenschaften in der christlichen Welt, als Kennzeichen der Unheiligkeit, abgelehnt und verketzert werden.

It stands to reason that this sketch of the saint, made upon the model of the whole species, can be confronted with many opposing sketches that would create a more agreeable impression. There are certain exceptions among the species who distinguish themselves either by especial gentleness or especial humanity, and perhaps by the strength of their own personality. Others are in the highest degree fascinating because certain of their delusions shed a particular glow over their whole being, as is the case with the founder of christianity who took himself for the only begotten son of God and hence felt himself sinless; so that through his imagination—that should not be too harshly judged since the whole of antiquity swarmed with sons of god—he attained the same goal, the sense of complete sinlessness, complete irresponsibility, that can now be attained by every individual through science.—In the same manner I have viewed the saints of India who occupy an intermediate station between[182] the christian saints and the Greek philosophers and hence are not to be regarded as a pure type. Knowledge and science—as far as they existed—and superiority to the rest of mankind by logical discipline and training of the intellectual powers were insisted upon by the Buddhists as essential to sanctity, just as they were denounced by the christian world as the indications of sinfulness.